Die Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Katja Kipping und Bernd Riexinger erklären zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 2017: 27 Jahre nach der staatlichen Herstellung der deutschen Einheit müssen wir konstatieren, dass die Einheit des Landes sozial, wirtschaftlich, kulturell und infolgedessen auch mental, nicht geschafft ist.
Dafür ist zuallererst die Politik der Bundesregierungen verantwortlich, die die vom Grundgesetz geforderte Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Land immer mehr auf die lange Bank geschoben haben. Wenn heute von 109 Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleitern in der Bundesregierung ganze vier in den ostdeutschen Ländern geboren wurden, sagt das viel darüber aus, wie weit weg wir von der Vollendung der Einheit sind und wie wenig wichtig dieser Bundesregierung der Osten ist.
Der mit der Wende in der DDR erkämpfte und mit der Einheit festgeschriebene Gewinn an Freiheit und Demokratie, die beachtliche Entwicklung von Stadtzentren und Infrastruktur im Osten seit der Herstellung der Einheit können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Aufmerksamkeit für den Osten mit jeder Bundesregierung abgenommen hat, was in der derzeitig noch amtierenden Regierung Merkel darin kulminierte, dass sie bei der Rentenangleichung sogar den eigenen Koalitionsvertrag brach.
Die Ungleichheit im Vergleich zum Westen zeigt sich in geringeren Löhnen bei längerer Arbeitszeit, höherer Arbeitslosigkeit, geringerer Vermögensbildung und größeren Armutsrisiken für die Menschen im Osten, im bis 2025 niedrigeren Rentenwert Ost, sowie in der Benachteiligung verschiedener Gruppen durch schlechte Rentenüberleitung z. B. die Gruppe der in der DDR geschiedenen Frauen. Das jüngste Beispiel dafür ist die Festschreibung eines niedrigeren Mindestlohns für die in der Pflege Beschäftigten, bis ins Jahr 2020. Generell ist die Arbeitszeit für Ostdeutsche im Jahr fast zwei Wochen länger bei 20 Prozent niedrigerem Einkommen. Das Gefühl der Geringschätzung, des Abgehängt-Seins, des Nicht-Ernst-Genommen-Werdens verfestigt sich, und lässt viel zu viele Menschen im Osten an ihrem Wert für unsere Gesellschaft und am Wert der demokratischen Gesellschaft für sie selbst zweifeln.
Der Einheitsprozess braucht einen neuen Schub, der Bestandteil einer sozialen Offensive für alle sein muss. Insbesondere die Regionen jenseits der Entwicklungskerne in Ost und West brauchen einen starken, handlungsfähigen und handlungswilligen Staat, der mit aktiver Industriepolitik, forciertem Infrastrukturausbau und breiter Arbeitsförderung das Ausbluten ganzer Landstriche stoppt und Perspektiven eröffnet. Die Sicherung der Daseinsvorsorge in diesen Regionen, die im aktuellen Regierungsbericht zum Stand der deutschen Einheit als problematisch bezeichnet wird, muss selbstverständlich sein.
DIE LINKE hat als bundesweit agierende Partei anders als die anderen Parteien die Probleme des Ostens nie aus dem Auge verloren und steht konsequent dafür, das im Artikel 72 des Grundgesetzes formulierte politische Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, Wirklichkeit werden zu lassen. Wir erneuern unseren Vorschlag, eine „Allianz für Ostdeutschland“ aller Kräfte aus Gesellschaft und Politik zu bilden, um endlich Gerechtigkeit für die Menschen in den neuen Bundesländern zu schaffen. Wir fordern auch die anderen Bundestagsparteien auf, sich dieser Allianz anzuschließen und künftig keine Regelungen, Gesetze, Verordnungen und Absprachen zu treffen, zu beschließen oder auch nur zu unterstützen, die eine Schlechterstellung der Menschen im Osten bedingen.
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