Im Rahmen eines wechselseitigen Besuchsprogramms habe ich vom 6. bis zum 9. Oktober 2019 André Chassaigne (PCF) in Frankreich getroffen.

Deutsch-französische Parlamentariergruppe

Mit dem Tandem in Paris

 

Für die informelle und direkte Verständigung zwischen Parlamentarierinnen unterschiedlicher Länder wurden im Laufe der Jahrzehnte der Bundesrepublik viele bilaterale Freundschaftsgruppen eingerichtet. Sie ermöglichen Gespräche jenseits der Regierungs-, Partei- bzw. Fraktionsdisziplin und ermöglichen einen direkten zwischenmenschlichen Umgang. Die Mitgliedschaft in der französisch-deutschen Parlamentariergruppe ist Teil meiner Mandatsaufgaben.

Damit die jeweiligen Mitglieder der Parlamentariergruppen ein besseres Verständnis für das jeweils andere parlamentarische System gewinnen, wurden die Jumellages, die Abgeordnetentandems eingerichtet. Mein Pendant in der Assemblée Nationale ist André Chassaigne, Vorsitzender der Fraktion (Group) Démocrat et Républicaine (GDR), Mitglied in der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) und seit 2002 Abgeordneter in der französischen Nationalversammlung.

Im Rahmen eines wechselseitigen Besuchsprogramms habe ich vom 6. bis zum 9. Oktober 2019 André Chassaigne in Frankreich getroffen. Zunächst ging es in seinen Wahlkreis in Clermont-Ferrand in der Auvergne, in das französische Zentralmassiv. Landschaftlich erinnert die Auvergne an die Eifel, auch dort gibt es viele Vulkane, die nicht mehr aktiv sind.

So waren wir einen Tag im Departement Puy-de-Dome unterwegs, im Herzen des Wahlkreises von André. Zunächst waren wir im Ancién College in Billom, eine ehemalige Militärschule, die lange leer gestanden hat, aber nun mit kommunalen und europäischen Mitteln saniert und mit neuem Leben gefüllt wird. Ein Geschichtsverein und ein lokales Archiv sind dort angesiedelt.

Nach einem Gang über den örtlichen Markt, auf dem weitestgehend regionale Lebensmittel angeboten wurden, haben wir der ermordeten französischen Widerstandskämpferinnen gedacht. In Anwesenheit des Bürgermeisters wurden wir zu einem »Vin d´Honneur« (Wein der Ehre) eingeladen und sprachen mit ehemaligen Kämpferinnen der Resistance gegen die deutsche Besatzung Frankreichs im zweiten Weltkrieg. Eine sehr bewegende Begegnung gerade für mich als deutsches Mitglied des Bundestages.

Wir waren im Wahlkreisbüro von André in Thiers und ich habe die Mitarbeiterinnen kennengelernt, die einen sehr engagierten Job machen. Der Besuch eines Bauernhofes stand auf dem Programm, wo wir viel über französische Tierhaltung und bevorzugte Rinderarten der Auvergne gelernt haben. In Pasliéres besuchten wir kommunale Einrichtungen, wie die neue Bürgermeisterei, das Ortsarchiv, Kindergärten und Schulen.

Aus Clermont-Ferrand ging es in die Nationalversammlung an der Seine. Im Unterschied zu Deutschland hat die Assemblée 577 Abgeordnete, die in 577 Wahlkreisen direkt gewählt werden. Es gibt keine Listen und kein Verhältniswahlrecht, sondern Wahlen in zwei Runden, in die Stichwahl kommen die beiden Bestplatzierten des ersten Wahlgangs.

Der erste Termin in Paris war eine Teilnahme an der Fraktionssitzung der GDR. Effektiv, konstruktiv, eine sehr positive Erfahrung für mich. In der Regierungsbefragung musste Innenminister Castaner wegen der Morde in der zentralen Polizeipräfektur in Paris, die wenige Tage vorher verübt wurden, Rede und Antwort stehen. Er musste ein Sicherheitsleck in den Behörden eingestehen. Die Befragung war deutlich intensiver und aktueller als die Regierungsbefragung in Berlin.

Auch einer Sitzung des Verteidigungsausschusses habe ich beigewohnt. Spannend war der Besuch einer Ausstellung von originalen Plakaten und Handzetteln aus der französischen Revolution anlässlich ihres 230. Jahrestages. Es wurden an einem Ort, den es auch damals schon gab, Dokumente gezeigt, die von Danton und Robbespierre selbst unterschrieben waren.

Draußen fingen zu dieser Zeit wie in Berlin, London und anderen Städten die Blockadeaktionen von Extinction Rebellion an, die als Bewegung eine Weiterführung von Fridays for Future mit etwas stärkeren Mitteln sind. Es wird nicht nur demonstriert, sondern auch Verkehrswege blockiert, um die Politik in der Klimaschutzpolitik zum Handeln zu drängen.

So haben sich in dieser Woche die große Geschichte der Politik, die aktuellen Auseinandersetzungen der Politik und das Konkrete an der Basis in wenige Tage hineingedrängt. Der Besuch in Frankreich hat das Verständnis für das parlamentarische System, aber auch für die französische Kultur erheblich vergrößert. Im kommenden Jahr wird André Chassaigne in meinem Wahlkreis und in Berlin zu Gast sein.

Deutsch-französische Parlamentariergruppe u.a. mit Thomas Nord (DIE LINKE), Andre Chassaigne (PCF) und dem deutschen Botschafter in Frankreich.