„Wir haben den Krieg gegen Serbien 1999 abgelehnt, weil er aus unserer Sicht völkerrechtswidrig war. An dieser Ablehnung hat sich nichts geändert. Deswegen werden wir auch dieses Mal wieder Nein zur Entsendung von Bundeswehrtruppen in den Kosovo sagen. Wir denken, ein Ja dazu wäre eine Legitimierung dieses Vorgehens, und das halten wir nach wie vor für politisch falsch.“
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Herr Staatsminister!
Es ist sicherlich für Sie keine Überraschung, dass wir heute im Deutschen Bundestag zu diesem Thema eine andere Position als alle anderen Parteien beziehen. Wir haben den Krieg gegen Serbien 1999 abgelehnt, weil er aus unserer Sicht völkerrechtswidrig war. An dieser Ablehnung hat sich nichts geändert. Deswegen werden wir auch heute wieder Nein zur Entsendung von Bundeswehrtruppen in den Kosovo sagen. Wir denken, ein Ja dazu wäre eine Legitimierung dieses Vorgehens, und das halten wir nach wie vor für politisch falsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Jahr 1999 war – der Minister hat es schon gesagt –für Deutschland eine politische Zäsur. Der Bellizismus hatte damals Hochkonjunktur, Friedenschaffen mit Waffen war sozusagen, zumindest hier im Deutschen Bundestag, für fast alle Parteien politischer Konsens. Inzwischen liegt der Irakkrieg hinter uns, und Afghanistan ist, wie es ist. Es zieht mehr Nachdenklichkeit in der Frage ein, ob man die Probleme dieser Welt tatsächlich mit Krieg lösen kann. Ich denke, in der Atalanta-Debatte heute ist schon deutlich geworden, dass diese Nachdenklichkeit weit über die Linke hinausgeht. Ich finde, das ist eine gute Entwicklung, auch wenn das an der Vergangenheit natürlich nichts ändert.
(Beifall bei der LINKEN)
Um zur Gegenwart zu kommen: Die jetzige Lage im Kosovo ist gerade nicht von politischer Stabilität gekennzeichnet, wie hier zu Recht von allen Rednerinnen und Rednern gesagt wurde. Die einseitige Souveränitätserklärung des Kosovo war ein Fehler, und die Anerkennung durch einen Teil der internationalen Staatengemeinschaft ebenso, weil es formal eine Situation herbeizuführen scheint, in der ein unabhängiger, funktionierender Staat existiert. Das ist nicht die Lage, mit der wir es konkret zu tun haben. Die Abwesenheit von Krieg ist eben noch kein Frieden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Lage auf dem Westbalkan ist nach wie vor explosiv. Wenn es dazu eines Beweises bedurft hätte, wäre es der Nordkosovo, wo es – wenn man es ganz offen sagen darf – zu einem bewaffneten Konflikt gekommen wäre, wenn es die KFOR nicht gegeben hätte.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja fast schon positiv, was Sie da sagen!)
Es ist alles andere als positiv, wenn es notwendig ist, internationale Truppen in einem Land zu stationieren, das sich als unabhängig betrachtet, um dort einen Bürgerkrieg zu verhindern. Wer das als positiv ansieht, der hat, glaube ich, eine ganz merkwürdige Sicht auf Normalität, die in einem unabhängigen, souveränen Staat existieren sollte.
(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] – Peter Beyer [CDU/CSU]: Denken Sie doch mal über KFOR hinweg!)
Wenn wir die Situation ganz nüchtern betrachten – ich war vor wenigen Tagen mit der Kollegin Beck und mit Kollegen der Sozialdemokratie in Bosnien –, dann stellen wir fest, dass wesentliche Teile der politischen Klassen in den Ländern des Westbalkans nach wie vor nationalistische Positionen vertreten und auch eine nationalistische Politik betreiben. Großserbien ist bei vielen politischen Kräften in Serbien, in Bosnien oder im Kosovo eben nicht von der Tagesordnung, und auch Großalbanien ist bei vielen politischen Kräften im Kosovo, in Albanien oder in Mazedonien nicht von der Tagesordnung. Diese Kräfte haben sich in der gegenwärtigen Situation eingerichtet und profitieren davon, dass wir einen Status quo aufrechterhalten, der nicht geeignet ist, politische Normalität auf dem Westbalkan herbeizuführen.
(Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Wenn wir hier heute über Serbien und den Präsidenten Tadic reden – er ist in der Tat jemand, der versucht, die europäische Integration Serbiens voranzutreiben –, müssen wir einfach festhalten: Tadic hatte 26 Prozent der Wählerstimmen bei einer Wahlbeteiligung von 37 Prozent. Das heißt, er wird real von nicht einmal 10 Prozent der serbischen Wahlbevölkerung in seinem Bestreben unterstützt. Man kann das durchaus als positiv betrachten. Es ist aber alles andere als ein Ausdruck von Stabilität; das will ich an dieser Stelle deutlich sagen.
(Beifall bei der LINKEN)
Bei der Betrachtung der politischen Lage im Kosovo sollten wir die soziale Lage dort nicht außer Acht lassen. Die soziale Lage im Kosovo ist der in Bosnien und der in anderen Westbalkanstaaten sehr ähnlich. 34 Prozent der Bevölkerung im Kosovo leben in Armut, 12 Prozent sogar in extremer Armut. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist dramatisch. Etwa 45 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 70 Prozent. Das heißt, wir haben es mit einer dramatischen sozialen Situation zu tun. Dass Bundesländer angesichts einer solchen Lage nach wie vor darüber nachdenken, Sinti und Roma in den Kosovo abzuschieben, ist ein absoluter Skandal. Das muss endlich aufhören.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Wirtschaftsleistung des Kosovo will ich hier nicht weiter kommentieren. Der Standard zitiert aus einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: Der einzige profitable Wirtschaftszweig im Kosovo, in dem es auch „vertrauensvolle“ Zusammenarbeit zwischen Albanern und Serben gibt, scheint die organisierte Kriminalität zu sein. Wir wissen, dass das so ist. Wir wissen, dass der Alltag von Korruption, von organisierter Kriminalität und von Nationalismus bestimmt ist. Ich habe nicht mehr viel Redezeit; deswegen will ich Folgendes sagen – –
(Zuruf von der CDU/CSU)
– Ich weiß, dass Sie möchten, dass ich aufhöre. Trotzdem nenne ich noch ganz kurz drei Punkte: Erstens. Wir brauchen einen internationalen Friedensplan für den Westbalkan. So, wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen. Dies betrifft sowohl die EU als auch die internationale Gemeinschaft. Zweitens. Bisher gibt es dort keinen selbstständigen wirtschaftlichen Aufschwung; ich verweise auf Punkt 9 der G-8-Initiative zur Wiederherstellung des Friedens. Wir brauchen einen Wirtschaftsplan für Südosteuropa,damit die Menschen dort ihr Geld tatsächlich selbst verdienen und würdig leben können.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Wir brauchen einen Abschied von alten Feindbildern.
(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Genau das brauchen die Linken!)
Unsere Unterstützung muss denen gelten, die tatsächlich für Versöhnung und Frieden auf dem Balkan eintreten. Den nationalistischen Parteien, egal welcher Nationalität, sollten wir entschieden entgegentreten. Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
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