Die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 schlägt immer stärker in den politischen Raum durch. Banken, Börsen, Banker und Spekulanten sind den europäischen Staaten einen Rettungsschirm in Höhe von 750 Milliarden Euro wert. Bei den aktuellen Haushaltsberatungen wird dann in den Nationalstaaten festgestellt, dass die Schuldenstände zu hoch sind und wir über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Die Verluste der Wirtschafts- und Finanzkrise werden durch den Rettungsschirm in staatliche Haushaltsschulden verwandelt, mit denen dann noch den Verursachern der Krise unanständig hohe Vergütungen gezahlt werden.

Zugleich werden jetzt von den Regierungen Sparpakete geschnürt, die gegen die Armen und Geringverdienenden gehen. In Deutschland zum Beispiel werden dieses Jahr über 50% im Sozialhaushalt eingespart. Die Folgen reichen bis weit in die gesellschaftliche Mitte und die Wut wächst. Die herrschende Politik versucht, von sich abzulenken und konstruiert Sündenböcke. Eine Methode, die auch in der deutschen Vergangenheit schon einmal in eine Katastrophe geführt hat. An den Folgen tragen wir bis heute. Über Diskriminierung von Muslimen haben wir bereits berichtet (Bundestagsreport Nr. 13). Muslimische Zuwanderer werden in Deutschland zunehmend als Belastung gesehen. Dies bestätigt eine neue Studie von Allensbach.

In Ostdeutschland vertreten 74% aller Befragten die Auffassung, dass muslimische Migranten uns sozial und auch finanziell wesentlich mehr kosten als sie uns wirtschaftlich bringen. In Westdeutschland sind es immerhin noch 50% Prozent. Es ist deshalb zu befürchten, dass die aktuelle Frustration über die Folgen der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren ein ähnliches Ventil findet, wie nach der Krise am Ende der 1920er Jahre. Fakt ist: In Europa herrscht nicht nur eine starke Abneigung gegenüber Muslimen, sondern auch gegen Roma und Sinti. Die EU-Agentur für Grundrechte nennt die Roma die am stärksten diskriminierte Gruppe innerhalb der EU. Die Vorurteile können umso stärker geschürt werden, weil an eine lange Geschichte der Ausgrenzung und Unterdrückung angeknüpft werden kann.

Mit acht Millionen Menschen stellt das Volk der Sinti und Roma heute die größte Minderheit in Europa. Mit der Erweiterung der Europäischen Union von 2004 sind viele von ihnen Mitglieder der EU geworden. In Ungarn und der Slowakei gab es Übergriffe, die tödlich endeten. Roma werden dort mit Zwang vertrieben, ihnen werden angemessene Unterkünfte verweigert und sie werden ausgegrenzt. Das geschieht ebenso in Bulgarien, Tschechien, Griechenland, Italien, Litauen, Rumänien und der Slowakei. In Ungarn werden Roma durch die Partei Jobbik als „Parasiten der Gesellschaft“ bezeichnet, die „ausgemerzt“ gehören. Das ist unerträglicher Nazijargon.

Seit Jahresbeginn 2010 hat Frankreich rund 8000 Roma nach Rumänien und Bulgarien vertrieben und mehr als hundert Lager aufgelöst – obwohl sie wie jeder EU-Bürger das Recht auf Freizügigkeit besitzen. In der Slowakei machen Roma zehn Prozent der Bevölkerung aus, aber sie müssen in Slums leben. In Tschechien werden Roma-Kinder in der Regel auf Sonderschulen geschickt. Aus der Bundesrepublik sollen aktuell etwa 10.000 Roma in das Kosovo abgeschoben werden, die seit dem Bürgerkrieg hier sind. Viele sind hier aufgewachsen und haben hier ihre Heimat.

Für Schwarz-Gelb sind das -anders als in Frankreich- keine Massenabschiebungen, sondern eine „schrittweise Rückführung von jährlich bis zu 2.500 Menschen“. Das ist ebenso zynisch wie die 5 Euro Hartz-IV Erhöhung von dieser Woche. Die neoliberale Offensive hat seit dem Zusammenbruch des Realsozialismus europaweit Verelendung hervorgebracht und versucht nun, die Folgen ihrer sozialen Diskriminierung in rassistische Bahnen nach Unten abzuleiten. Dem werden wir uns entschieden entgegenstellen, denn linker Protest richtet sich gegen die Ursachen einer falschen Politik und nicht gegen ihre Opfer.