Am Mittwoch präsentierte der ungarische Regierungschef Viktor Orbán vor dem EU-Parlament in Straßburg die Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft. Ein Termin, der normaler Weise von Freundlichkeiten und gegenseitigen Lobhudeleien geprägt ist. Dieses Mal war es anders. Über das derzeit heftig umstrittende ungarische Mediengesetz wurde ein illustrer Schlagabtausch geführt. Die Debatte erschöpfte sich schnell in gegenseitigen Anwürfen und Stellvertreterdebatten. Die Kritiker im EU-Parlament begrenzten ihre Kritik auf das Mediengesetz und den in der ungarischen Vertretung in Brüssel ausgerollten Teppich, der Ungarn in den Grenzen von 1848 zeigt. Die Verteidiger Orbáns und seines Gesetzes kauten die Worte ihrer Fidesz-Parteifreunde wieder.

Die Erregung über das Mediengesetz in Ungarn ist richtig, aber sie ist unvollständig. Seit dem dreiviertel Jahr, in dem Fidesz eine zwei Drittel Mehrheit im Parlament hat, hat die Regierung zahlreiche andere demokratiepolitisch bedenklichen Vorhaben umgesetzt. Schlüsselpositionen wurden mit partei- bzw. Orban treuen Personen besetzt. Fidesz hat die Befugnisse des Verfassungsgerichtes beschnitten. Einen parteitreuen Generalstaatsanwalt eingesetzt. Einen Orbán hörigen Präsidenten gewählt. Den Medienrat mit Parteikadern besetzt. In verschiedenen Kultureinrichtungen gesinnungspolitische Säuberungen durchgeführt, zum Beispiel der Akademie der Wissenschaften. Sie hat den unabhängigen Haushaltsrat abgeschafft und stellt die Unabhängigkeit der Zentralbank in Frage. Damit zeigen Orban und Fidesz die negativen Seiten von dem, was aus einer Demokratie unserer Prägung im Fall einer zwei Drittel Mehrheit werden kann.

Mit dieser zwei Drittel Mehrheit soll im Frühjahr eine christliche Verfassung mit einem Hoch auf die „Heilige Krone“, beschlossen werden, in der all diese Maßnahmen dauerhaft verankert werden. Nur eine andere parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheit wird sie erneut ändern können. All davon war in der Straßburger Debatte nichts zu hören. Dass das ungarische Mediengesetz jetzt in der europäischen Öffentlichkeit so heftig kritisiert wird, liegt wohl eher an der sechsmonatigen ungarischen EURatspräsidentschaft und der Sorge, weltöffentlich nicht mehr als lupenreine Demokratin dazustehen. In dem Mediengesetz kann –wenn man es gegen den Strich liest- auch ein beruhigendes Zeichen gesehen werden. Man kann daraus schließen, dass sich die Regierung ihrer nationalen großungarischen Träume längst nicht so sicher ist, wie sie nach außen vorgibt zu sein. Deshalb begeht sie den typischen Fehler von unsicherem Hochmut, sie greift zum Mittel der Unterdrückung von kritischer Öffentlichkeit. Der Wind wird sich drehen und es wird einen demokratischen Frühling in Budapest geben.