Abseits der Schlagzeilen – Europa in der Krise

Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise wird heute oft als bewältigt erklärt, aber die nachhaltigen Folgen der Sparhaushalte und der Preiserhöhungen beginnen sich gerade erst auszuwirken. Dies gilt auch für die Mittelosteuropäischen Staaten, die nicht in der Eurozone sind. In Belgrad ist die Staatskasse leer, die Gesamtverschuldung beträgt 75 % des Bruttoinlandsprodukts. Der Internationale Währungsfonds genehmigte Serbien 2010 rund 3 Mrd. € Kredit, die Auszahlung erfolgt in drei Raten und ist an rigide Sparauflagen gebunden: Kürzung der öffentlichen Ausgaben, Abbau des staatlichen Verwaltungsapparates, Reform des Rentensystems, Einfrieren der Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst. Zeitgleich stürzt der Dinar im Vergleich zum Euro ab, eine Teuerungswelle folgte der anderen. Die Ausgaben für Telefon, Kommunalabgaben, Strom, Heizung, Benzin, Zigaretten und Grundnahrungsmittel stiegen bis zu 20 %.

Die messbare Unzufriedenheit der Bevölkerung zeigt sich darin, dass die Regierung in den Umfragen drastisch an Zustimmung verloren hat. Aktuell liegt die oppositionelle Serbische Fortschrittliche Partei (SNS), unter Vorsitz von Tomislav Nikolic, mit der größten Regierungspartei, der Demokratischen Partei (DS) in Umfragewerten praktisch gleichauf. Nikolic gilt als extremer Nationalist, aus dem Zuspruch zu seiner Partei könnten die Fortschritte, die Serbien in Richtung EU gemacht hat, in Gefahr geraten. Am 5. Februar sind etwa 70.000 Serbinnen und Serben einem Demonstrationsaufruf unter dem Motto „Kämpfe für Veränderungen“, gefolgt. Die Ausschreibung vorgezogener Parlamentswahlen bis April 2011ist die zentrale Forderung. Obwohl die Regierungskoalition unter Staatschef Boris Tadic als stark zerstritten gilt, will sie aber erst zum regulären Termin im kommenden Jahr ein neues Parlament wählen lassen.

Deshalb hat Nikolic angedroht, Belgrad ab April so lange mit Demonstrationen zu blockieren, bis die Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen erfüllt wird. Nikolic verglich in diesem Zusammenhang die serbischen Proteste mit denen in Ägypten und Tunesien. Diese Völker hätten eine Botschaft an die Machthaber gesendet, nämlich, auf sie zu hören. „Sie haben uns Milch und Honig bei der Wahl 2008 versprochen, und was haben wir jetzt?“, sagte eine Demonstrantin. „Nur mehr Entbehrungen und eine verlogene und arrogante Regierung, die sich nicht um ihr eigenes Volk kümmert.“ Real sind aber weniger demokratische Entwicklungen wie in den arabischen Ländern zu erwarten als vielmehr nationalistische und reaktionäre Entwicklungen wie z.B. in Ungarn zu befürchten. Das wäre eine Destabilisierung der politischen Rahmenbedingungen für den gesamten Balkan.

Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2008 begann, ist nicht vorbei. Nach der Euro-Krise von 2010, der auch in den nächsten Jahren rigide Sparhaushalte folgen werden, droht nun -nicht zuletzt durch die Politik des IWF- die dritte Welle der Krise.