Die ungarische Regierung hat einen neuen Verfassungsentwurf vorgelegt. Weil Fidesz im Parlament über eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfügt, konnte sie den Text im Alleingang bestimmen. Auf die Veröffentlichung des Verfassungsentwurfs wurden ca. 100 Änderungsanträge eingereicht. Diese stehen nun zur Diskussion, wobei mehr als die Hälfte der Anträge aus der Feder von Fidesz und Christdemokraten kommen, 25 von der rechtsextremen Jobbik, die einen faschistoiden paramilitärischen Arm unterhält und 22 von „unabhängigen Abgeordneten“.
Die Sozialisten boykottieren die Plenarsitzungen, weil sie das ganze Prozedere und die Inhalte für zutiefst undemokratisch halten. Die Opposition rief zu Demonstrationen für den Tag der Absegnung auf. Als Teil einer „nationalen Konsultation” wurde ein Fragebogen an alle Bürger mit der Möglichkeit versendet, Multiple-Choice-Antworten anzukreuzen. Das Ergebnis ist für das Parlament nicht bindend und deshalb kann ihre Auswertung bis zum 18. April abgeschlossen sein. An diesem Tag findet die endgültige Parlamentsabstimmung statt. Am 25. April soll die Unterzeichnung durch den Staatspräsidenten erfolgen. Es ist der Jahrestag des Wahlsiegs von Fidesz.
In dem Verfassungsentwurf wird die durch „die Kommunisten unterbrochene historische Rechtskontinuität wiederhergestellt“, die 1949-1990 gültige Verfassung für ungültig erklärt. Das Regime, an das man hier symbolisch anknüpft, ist die faschistische Horthy-Regierung. Horthy musste 1920 die Bedingungen des Friedens von Trianon akzeptieren. Ungarn verlor dadurch zwei Drittel seines Vorkriegsterritoriums und ein Drittel seiner magyarischen Vorkriegsbevölkerung. Die Bestrebungen, das Königreich des Heiligen Stephan wiederherzustellen, führte Horthy zur Zusammenarbeit mit dem III. Reich. 1940 trat Ungarn dem Dreimächtepakt bei. Auf Befehl Hitlers erhielt Ungarn einen Teil von Rumänien.
Den Juden Ungarns wurde vorgeworfen, die ungarische Kultur zu gefährden. Das erste antijüdische Gesetz unter Horthy ist bereits von 1920. Ab 1938 wurden in Ungarn viele antijüdische Gesetze verabschiedet, die Züge der Nürnberger Rassengesetze trugen. Entgegen den „Wünschen“ der deutschen Regierung weigerte sich Ungarn zunächst, seine jüdischen Einwohner auszuliefern bzw. deren Transport in Lager zuzulassen. Das änderte sich nach der deutschen Besetzung im März 1944, die von den Nazis eingesetzte Regierung sicherte die Durchführung des Holocaust und ordnete umgehend die Ghettoisierung des ungarischen Judentums an.
Der Entwurf der neuen Verfassung teilt sich in die vier Abschnitte „Credo der Nation“, „Grundlagen“, „Freiheit und Verantwortung“ und „Der Staat“. Die Credo-Präambel zieht Bezüge zum christlichen Reich König Stephans I., beschwört „Familie und Nation“ als wichtigsten Rahmen des „Zusammenlebens“ mit „Treue, Glaube und Liebe als den Grundwerten“ und der nationalen Zusammengehörigkeit. Das faschistische Horthy-Regime und sein Traum der Wiederherstellung von Groß-Ungarn wird wieder als eine große Epoche verklärt.
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