Die rastlose Ratlosigkeit der europäischen Regierungen im Bemühen, die Euro-Krise in den Griff zu bekommen, bestätigt sich im Fortgang des Europäischen Rates vom 23./ 24. Juni 2011. Kaum lag eine Einigung über eine freiwillige Beteiligung des Privatsektors vor, wirbelten die Ratingagenturen die Beschlusslage wieder durcheinander. Eine freiwillige Beteiligung des Privatsektors führt aus ihrer Sicht automatisch dazu, dass Griechenland mit einem „D“ bewertet wird. „D“ steht auf Englisch für „Default“, auf Deutsch für „Pleite“. Damit sind die Verabredungen für Griechenland hinfällig, die Euro-Krise ist kein singuläres nationalstaatlich verfasstes Problem, das mit Haushaltsdisziplin in den Griff zu kriegen ist. Als Reaktion auf eine Spekulation über ein zweites Hilfspaket für Portugal, hat Moody´s noch eins auf diese Situation drauf gesetzt und Portugal erneut um vier Stufen herabgesetzt, Staatsanleihen haben jetzt Ramsch-Status. Dem folgte der übliche Wirbel: Bankenkurse sinken, der Euro fällt, die Nervosität greift auf Spanien über, die Durchschnittsrendite für ein Papier mit einer Laufzeit von fünf Jahren stieg auf 4,9 Prozent. Die europäischen und nationalstaatlichen politischen Eliten gestehen ihre Hilflosigkeit gegenüber dem Treiben der Rating- Agenturen ein, indem sie mit einem Sturm der Entrüstung reagieren.

Ratingagenturen analysieren und benoten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten. Bei einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit wird es für die betroffenen Länder schwieriger und teurer, Geld an den privaten Finanzmärkten zu leihen, die Zinsen für Kredite steigen. Der Deutschland-Chef von Standard and Poor‘s verteidigte die Abstufung als berechtigte Warnung. Aufgabe der Ratingagentur sei nicht zu beurteilen, ob ein Lösungsversuch ökonomisch oder politisch richtig sei, sondern eine Meinung über die künftige Zahlungsfähigkeit abzugeben. Eine ähnlich lautende Erklärung gab der Präsident des Verfassungsgerichtes in Karlsruhe anlässlich des Verhandlungsbeginns über die in Deutschland umstrittene Beteiligung an den Griechenland-Hilfen und dem Euro- Rettungsschirm. Es geht in dem Verfahren um reine Rechtsfragen, nicht über die Zukunft Europas und die richtige ökonomische Strategie zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise innerhalb der Europäischen Währungsunion. Mit der Eröffnung der Verhandlungen am 05. Juli wurde für den Herbst eine Urteilsverkündung in Aussicht gestellt. Alle Euro-Zonen Mitglieder warten nun gespannt auf den Richterspruch.

Die Verschiebungen der Entscheidung über das zweite Rettungspaket für Griechenland und der Ratifizierung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus in den Herbst ist ein Vabanque-Spiel, mit der die Bundesregierung ihr Sommer-Märchen von der hinter uns liegenden Krise fortsetzen will. Aber bei genauem Hinsehen zeigen sich CDU/CSU und FDP in ihrem politischen Handeln gelähmt, die Spannungen zwischen allen dreien werden als das wahrgenommen, was sie sind: eine innenpolitische Belastung. Die in Umfragen immer noch unter 5 % liegende FDP hat angekündigt, Entscheidungen über den Bundeshaushalt mit Steuersenkungen verknüpfen. Als Reaktion darauf sollen die Verhandlungen zwischen FDP, CDU und CSU erst nach der Sommerpause beginnen, damit nicht über zwei Monate hinweg Details zu Steuerkürzungen zusammen mit Details über die Rettungsschirme diskutiert werden. In der Tagespresse wird die jetzige Regierung schon als die schlechteste Wunschkoalition seit 1949 bewertet. Neben Märchen und Wünschen ist Hoffnung auf das Vertrauen der Märkte in eine normale Sommerpause der Politik das dritte Element ihrer Tagträumerei.