Bereits am 21. Juli 2011 wurden die Rahmenbedingungen für die Erweiterung und Veränderung der EuropäischenFinanzStabilitätsFazilität (EFSF) auf einem Sondergipfel des Europäischen Rates verabschiedet. Es ist unstrittig, dass der Europäische Rat und damit auch die Bundesregierung den grundlegenden Konstruktionsmangel der Euro-Zone damit nicht behoben, sondern lediglich Zeit für politisches Handeln gekauft haben.
Die Zeit wurde zunächst für die Vortäuschung einer normalen parlamentarischen Sommerpause verwendet, in der die Märkte weiterhin unreguliert auf den Bankrott einzelner Staaten und auf das Zerbrechen der Eurozone spekulieren konnten. Nach über zwei Monaten und zwei weiteren Landtagswahlen hat der Bundestag in dieser Woche die Beschlüsse des Europäischen Rates umgesetzt. Aber die im Juli beschlossene Haftungssumme und die Instrumente der EFSF reichen Ende September längst nicht mehr aus, es war eine teure Sommerpause, in der die Bundesregierung ein denkwürdiges Theater der politischen Uneinigkeit inszeniert hat.
Zeit zu kaufen heißt in der aktuellen Krise, Gewinngarantien für Banken und Spekulanten zu geben. In Fachkommentaren war bereits vor der Abstimmung klar, dass die Garantiesummen angesichts des zweimonatigen Rückstandes nicht ausreichen, es wird über zusätzliche Instrumente und die Vervielfachung der Kreditsumme bis zu einer Höhe von 2 Billionen Euro gesprochen. Wenn 780 Milliarden für den EFSF eine Haftungssumme von 211 Milliarden für den Bundeshaushalt bedeuten, bedeutet das bei zwei Billionen bei gleicher Lastenverteilung 541 Milliarden. Als nächstes müssen mit der gekauften Zeit die tiefen politischen Risse im Fundament der Bundesregierung geflickt werden. Deshalb kann die Abstimmung über den dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) erst auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn die beabsichtigte Urabstimmung in der FDP umgesetzt sein kann und die CDU ihren Novemberparteitag zur Euro-Krise durchgeführt hat. Die FDP wird ihren kritischen Standpunkt bei 2 % Umfragewert angesichts der Bedrohung ihrer Sitzplätze schnell aufgeben und so wird vermutlich auch hier eine teuer erkaufte Regierungsmehrheit möglich.
Eine weitere notwendige Abstimmung, die als Voraussetzung für das In-Kraft-Treten des ESM gilt, geht in der aktuellen Debatte meistens unter. Es ist die Abstimmung über die Veränderung des Artikels 136 im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV), mit der die „No-Bail-Out“-Klausel des Artikels 125 durch eine Regelung außerhalb der EU-Verträge umgangen werden soll.
Die Klausel aus dem Dezember 2009 besagt, dass kein Staat der Eurozone für die Schulden des Anderen haftet. Bereits im April 2010 wurde diese Klausel mit der Bewilligung der Griechenland-Garantie gebrochen. Obwohl es also eigentlich nur ein nachträgliches Legitimieren des Rechtsbruches von 2010 ist, liegt hier noch einmal ein Konfliktpotenzial für die konservativ-neoliberale Regierung. Denn die Einmaligkeit des Vorgangs einer Schuldbürgung für Griechenland wird dadurch zum normalen Rechtszustand zwischen den Mitgliedern der Eurozone erhoben. Die Abstimmung über die „Ertüchtigung“ der EFSF war nur der Auftakt zu einem Dreisprung, an dessen Ende die Einsicht dämmern wird, dass eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion mehr ist als ein nationalökonomischer Wettbewerbsvorteil. Sie ist eine Binnenwirtschaftszone, die eine demokratisch legitimierte Fiskal- und Sozialunion braucht.
Kommentieren