Am Donnerstag überwiegt die Erleichterung über die Gipfel-Ergebnisse von Brüssel. Wieder einmal. Dieses Mal 50% Schuldenschnitt für Griechenland, Rekapitalisierung von Banken und Vervielfachung des befristeten Rettungsschirms EFSF.
Der japanische Finanzminister sprach von einem großen Schritt vorwärts. Das wirtschaftlich erstarkende China reagierte vorsichtig positiv. Das Außenministerium in Peking äußerte am Donnerstag die Hoffnung, dass die Ergebnisse das Vertrauen der Finanzmärkte stärkten. Die Finanzkrise durchläuft ihr fünftes Jahr. In diesen Jahren gab es viele Tage der Erleichterung. Ihnen folgten bislang in immer kürzeren Abständen Tage der Ernüchterung und des Absturzes.
Das Volumen der Krise zwischen Hoffnung, Ernüchterung und Absturz stieg bislang von Millionen über Milliarden zu Billionen. Diese Zahlendynamik ist neben der Abwehr des Abwertungsprozesses von Kreditwürdigkeit der Mitgliedsstaaten der Eurozone durch die Rating-Agenturen auch eine Folge der durch die so genannte Troika aufgenötigte Sparpolitik für die so genannten „Programmländer“ Griechenland, Irland und Portugal. Die Sparpolitik wirkt krisenverstärkend, weil mit ihr die Staaten systematisch weiter in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden. Durch eine zunehmende Rezession der Wirtschaft werden die Steuerausfälle größer und das führt zu neuen massiven Kürzungen bei Löhnen, Gehältern und Sozialleistungen.
Die Regierung nennt dieses Vorgehen die Wiederherstellung des Vertrauens der Märkte in die Politik. Aber in Wirklichkeit ist es ein finanzpolitischer Angriff, der wie in einer realweltlichen Katastrophe eine breite Spur gesellschaftlicher Verwüstung hinterlässt. Es ist ein ökonomisch entfesselter Hurrikan, vor dem die Reichen und Mächtigen ihr Geld schon lange in der Schweiz hinterlegt haben, große Teile der Bevölkerung hingegen werden durch die Folgen der Krise in die Armut gedrückt. Der Verarmung folgt eine Debatte über Wiederaufbauhilfe für Griechenland in der Form von „Geber- oder Investorenkonferenzen“. Dieser Sprachgebrauch wurde bislang zumeist nach der Beendigung von militärischen Einsätze verwendet, wie zum Beispiel gegen den Irak oder Afghanistan.
Der weitere Verlauf der Europäischen Krise zeichnet sich schon am Horizont ab. Frankreich steht als nächstes auf der Abstufungsliste der Agenturen, der Präsidentschaftswahlkampf wird die politische Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Deshalb wird eine verstärkte Debatte über die neue Dominanz von Deutschland in Europa einsetzen. Dies wird negative Auswirkungen auf den deutsch-französischen Motor haben.
Ob es aber es zu einem deutschen Europa kommt, ist offen, denn es wird auch schon über eine Abstufung der Bundesrepublik spekuliert. Die beschlossenen präventiven Instrumente des „ertüchtigen“ Rettungsschirms EFSF werden vermutlich im nächsten Frühjahr erstmals an Italien ausprobiert. Italien muss 2012 ungefähr 350 Milliarden Euro an alten Staatsanleihen erneuern und dies mit einer Verzinsung von ca. 6 %. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren bedeutet dies in der Konsequenz nahezu eine Verdoppelung des Gesamtschuldenbetrags. Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Union, gibt für Italien im Jahr 2010 einen Gesamtschuldenstand bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt mit 118,4 % an. Dieser Ausblick lässt befürchten, dass der Gipfel nur einen momentanen Erfolg erzielt hat und der Erleichterung auch dieses Mal wieder eine Ernüchterung folgen wird.
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