In der Präsidentschaftswahl von Mai 2012 wurde Nikolas Sarkozy abgewählt und der Sozialist Francois Hollande galt als neuer Hoffnungsträger. Doch angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und des schwachen Wachstums steht er seit Beginn seiner Präsidentschaft unter neoliberalem Reformdruck. Auf Grund seines Schwankens zwischen dem sozialpolitischen und dem marktformuliertem Anspruch ist er in den Zustimmungswerten so schnell und so drastisch abgesunken wie nie ein Präsident der fünften Republik vorher. Ob er seine Wahlperiode bis zum Ende durchführen kann, wird laut in Frage gestellt.
Er übertönt diese Lautstärke innenpolitisch mit einer neuen Regierung (Jean-Marc Ayrault wurde nach der krachend verlorenen Kommunalwahl im Mai 2014 gegen Manuel Valls ausgetauscht) und außenpolitisch mit Darstellung von militärischer Entschlossenheit im Kampf gegen die radikalislamistische Bedrohung durch die Terrorgruppe ISIS und deren Landgewinne in Syrien und Irak. Doch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Handlungsdruck für neoliberale Reformen in Frankreich nicht zuletzt durch die Arbeitsaufnahme der neu eingesetzten Brüsseler Institutionen weiter verstärkt wird.
Bei seinem Amtsantritt verkündete Valls auf Initiative von Hollande den Pakt für Verantwortung und Solidarität. Die französischen Unternehmen sollen über die nächsten drei Jahre 30 Milliarden Euro weniger Sozialabgaben zahlen und dafür neue Jobs schaffen. Im Haushalt sollen bis 2017 um 50 Milliarden Euro eingespart werden. Grad erst hatte er in der Französischen Nationalversammlung seine zweite Vertrauensabstimmung gewonnen, mit noch knapperer Mehrheit als beim vorhergehenden Mal. Er drohte im Vorfeld dieser Abstimmung mit der Gefahr des möglichen Sieges der Front National bei der nächsten Präsidentschaftswahl, um sich eine Mehrheit zu sichern. In einem Vertrauensvotum stimmten 269 Abgeordnete für die Politik des Regierungschefs, 244 votierten gegen ihn. 31 sozialistische Abgeordnete enthielten sich.
In dieser Sitzungswoche war Manuel Valls zu Besuch bei der Kanzlerin. Der Premierminister Valls hat in seinem zweitägigen Besuch in Berlin zwei Botschaften transportiert. Erstens Frankreich braucht mehr Zeit, um das erste Maastricht-Kriterium wieder einzuhalten. Deshalb dürfe kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Zweitens, wenn die Kanzlerin für Wachstum in Europa sorgt, ist das in Ordnung. Die Kanzlerin hielt sich wie gewohnt in diplomatischer Tonalität und ließ die zweite Reihe deutliche Kommentare sprechen. Der EU-Abgeordnete Reul forderte von Frankreich nun radikale Reformschritte und eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik ein. Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag wollte keinen Bittbesuch für den Aufschub der Einhaltung der Maastricht-Kriterien, sondern Valls solle die sozialistische Partei in Frankreich endlich von den Reformen überzeugen. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Christian von Stetten erklärte das Modell des französischen Sozialstaates gar für gescheitert. Dies ist die deutsch-konservative Begleitmusik zur Initiative des französischen Arbeitgeberverbandes medef, die die Gewerkschaften als Provokation werten.
In ihrer knapp 100 Seiten starken Initiative fordert medef zum Beispiel die Streichung von Feiertagen, die Lockerung der 35-Stunden-Woche und Verträge unterhalb der Mindestlohn-Grenze. Für Langzeitarbeitslose schlägt der Verband die Möglichkeit von staatlich
unterstützten Verträgen vor, um die Kosten für die Arbeitgeber unter die Mindestlohn-Grenze zu drücken. In dem sogenannten Pakt für Verantwortung bietet Hollande Entlastungen in Milliardenhöhe an, wenn die Unternehmen im Gegenzug eine Million neue Jobs schaffen. Für die jetzigen Forderungen bietet medef jedoch nur 100.000 Jobs.
Wenn dieses Papier umgesetzt wird, verhilft es den Unternehmen möglicherweise sogar zur Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit, für die Gesellschaft und den sozialen Zusammenhalt könnte es aber genau das Gift sein, das das Bedrohungsszenario von Manuel Valls für die nächste Präsidentschaftswahl wahrscheinlicher macht. Deshalb inszeniert sich Nikolas Sarkozy bei der Pressekonferenz zu seinem Comeback auch erst gar nicht mehr als Gegner von Hollande, sondern bereits als Alternative für Marie le Pen.
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