Kanada ist aus Sicht der deutschen Wirtschaft der 12. größte Handelspartner und sicherlich ein tolles Land mit einer einzigartigen Geschichte. In dieser Sitzungswoche war der kanadische Chefunterhändler für das Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), Steve Verheul, zum Gespräch im Wirtschaftsausschuss. Hintergrund ist der Abschluss der Verhandlungen über den konkreten Vertragstext, der Ende August von der ARD veröffentlicht wurde1 und Ende September auch von der EU-Kommission, die das nachträgliche Veröffentlichen als Akt der Transparenz verkaufen wollte. Dabei wurde der Text in den vergangenen fünf Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt, ein Verfahren, das heutigen demokratischen Standards nicht entspricht.

Die Bundesregierung hat den Entwurf nach Auskunft unverzüglich zur Prüfung an Bundestag, Bundesrat und die beteiligten Bundesressorts weitergeleitet. Aber zunächst wird der Text des Abkommen in Brüssel einer Rechtsförmlichkeitsprüfung unterzogen und erst dann im Anschluss in alle Amtssprachen der EU übersetzt. Diese technischen Arbeiten dürften nach aktueller Planung Mitte 2015 abgeschlossen sein, bis dahin ist die Prüfung an den englischsprachigen Text gebunden. Anschließend trifft der Rat einen Beschluss über die Unterzeichnung des Abkommens und muss die Zustimmung des Europäischen Parlaments einholen.

Besonders strittig sind in dem CETA-Text die Regeln über außergerichtliche Schiedsverfahren. Sie werden hinter verschlossenen Türen zumeist in Washington in einem Gebäude der Weltbank durchgeführt. Ein Gremium aus drei Richter_innen kann eine Regierung zu Strafen in Milliardenhöhe verurteilen, wenn ein Konzern seine Profite bedroht sieht. Die Verfahren werden seit den 1960ern in Handelsabkommen zwischen Industrie- und sogenannten Schwellen- oder Entwicklungsländern integriert. Das Besondere ist also nicht das Schiedsverfahren an sich, sondern deren Ausweitung auf Staaten, in denen das Rechtssystem als demokratisch, unabhängig und verlässlich eingestuft wird.

Hieraus resultieren zwei Bedenken: 1. Die globalisierten Investoren bekämen ein von nationalen Rechtsräumen unabhängiges System etabliert, mit dem sie ihre Gewinnerwartungen absichern, sozusagen eine unabhängige globale Investorenjustiz. 2. Investoren bekämen über CETA und auch über TTIP einen Mechanismus installiert, um bestehende oder zukünftig legislativ heraufgesetzte Lebensmittel-, Umweltschutz- und Sozialstandards in Europa zu beklagen. Gegen die Bundesrepublik läuft derzeit z.B. ein Investor-Staats-Verfahren, mit dem Vattenfall über 4 Mrd. Euro Schadensersatz wegen des beschlossenen Atomausstiegs fordert (ICSID-Case ARB/12/12).2 Auch die Einführung eines Mindestlohns oder die nachträgliche Erhöhung eines gesetzlichen Mindestlohnes können Klagegegenstand werden, höhere Löhne schmälern die Gewinne von Investoren.

Die Bundesregierung geht in Übereinstimmung mit einem durch das Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten davon aus, bei CETA handelt es sich um ein „Gemischtes Abkommen“, weil in dem Vertragsentwurf Punkte behandelt sind, in denen die Mitgliedsstaaten zuständig sind.3 Damit CETA rechtskräftig wird, ist eine Zustimmung in den Gremien der EU und in sämtlichen Mitgliedsstaaten nötig. Das heißt für das deutsche Gesetzgebungsverfahren, CETA ist im Bundesrat und im Bundestag zu behandeln und zu verabschieden. Es ist doch eher wahrscheinlich, dass die SPD ihre kleinen Muskelspielchen gegenüber CDU/CSU schnell einstellt, wenn es auf die Abstimmungen zugeht. DIE LINKE ist eindeutig, sie will globalen Investoren diese Machtstellung nicht einräumen. Sie will die mühselig in Europa erkämpften sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Standards nicht preisgeben. Dies habe ich in dem Gespräch mit dem kanadischen Chef-Unterhändler deutlich gemacht.

Quellen:

1 http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ceta-dokument-101.pdf
2 http://www.iisd.org/pdf/2012/german_nuclear_phase_out.pdf
3 http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/C-D/ceta-gutachten-einstufung-als-gemischtes-abkommen.pdf?__blob=publicationFile&v=4