Das Parteienbündnis Syriza war im Wahlkampf im Januar dieses Jahres mit ihrem Frontmann Alexis Tsipras angetreten, um die Sparpolitik der Troika (bestehend aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds) zu beenden. Die Austeritätslinie hat dazu beigetragen, dass Staatshaushalt und griechische Wirtschaft weiter abgeschmiert sind. Sie hat zur Steigerung des Elends beigetragen, nicht zu deren Milderung. Das Bruttonationaleinkommen ist seit 2009 um 30% gefallen, die Arbeitslosigkeit auf 30% gestiegen, bei Jugendlichen auf 51,8%! Gleichzeitig hat Syriza ein pro-europäisches Selbstverständnis formuliert. Gleichwertiges Ziel von Syriza war es allerdings, Griechenland in der EU und in der Euro-Zone zu halten.
Nach einem halben Jahr harter politischer Verhandlungen, die bis an die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit geführt wurden, hat Alexis Tsipras im Juli nach einem 18-stündigen Schlussmarathon in Brüssel einem Ergebnis zugestimmt, das einerseits neue Sparauflagen festlegt, andererseits Griechenland durch Kredite über 86 Milliarden in der Euro-Zone hält. Die Annahme der Sparauflagen stand gegen das Nein-Votum der Bevölkerung vom 5. Juli, in dem sich 61% gegen die Sparauflagen ausgesprochen hatten. In der Abwägung, das Angebot der Troika anzunehmen oder abzulehnen, stand die Alternative, aus dem Euro auszutreten und nach öfters geäußerter Lesart möglicherweise auch aus der EU. Ein Teil der Syriza-Fraktion hielt den daraus folgenden Grexit für eine gangbare Alternative und verweigerte die Zustimmung im Parlament, Tsipras Regierung hatte keine Mehrheit mehr.
Alexis Tsipras hat sich mit der Einwilligung in neue Sparauflagen für den Verbleib Griechenlands im Euro und in der EU entschieden. Dies entsprach nicht mehr den in den Wahlen im Januar gemachten Positionen von Syriza und erforderte eine neue Legitimation. Aus diesem Grunde ist er vom Amt des Ministerpräsidenten zurückgetreten und hat den Weg zur zweiten Neuwahl in diesem Jahr eröffnet. Ein von Syriza abgespaltener Teil trat mit einer neu gegründeten Partei Laiki Enotita (Volkseinheit) an. Am Abend des 20. September wurden 35,5% für Syriza gezählt (Januar 36,3%). Die konservative Nea Demokratia bekam 28,1% (Januar 27,8%). Die faschistische Partei Goldene Morgenröte kam auf 7% (6,3%). Die sozialdemokratische Pasok kam auf 6,3% (4,7%). KKE bekam 5,5% (5,4%). Potami verlor 2%, Anel 1%. Enosi Kendroon bekam mit 3,4% ihr bisher bestes Ergebnis. Die neu gegründete Partei Volkseinheit scheiterte mit 2,9% an der 3% Hürde. Die Wahlbeteiligung ist von 64% auf 55% gefallen. Alexis Tsipras und Syriza (145 Mandate) bilden erneut mit der rechtspopulistischen Partei Anel (10 Sitze) eine Regierung. Ihre Gemeinsamkeiten bestehen bei vielen Differenzen in der Ablehnung der Sparpolitik bei gleichzeitigem Verbleib in EU und Euro.
Nach der dritten großen Abstimmung in diesem Jahr (Zwei Neuwahlen und ein Referendum) sind die Kräfteverhältnisse in der EU noch einmal deutlicher geworden. Die nationale Souveränität eines einzelstaatlichen Demos, zumal eines der kleinen Mitgliedsstaaten der EU, ist durch die eingegangenen Verträge Teil einer Union geworden. Es wurde aber kein eigener Demos für die EU deklariert. Zwar hat sich durch die Wahl einer linken Regierung im Januar die Zusammensetzung im europäischen Rat ein Stück nach links verschoben, aber durch die Wahlergebnisse in Estland, Finnland, Großbritannien und Dänemark zeigt die Balkenwaage auf der rechten Seite das größere Gewicht. In Finnland sind die Basisfinnen in die Regierung eingetreten. In Dänemark ist die Dänische Volkspartei (DF) zweitstärkste Kraft geworden. Dies hat es für Syriza nicht leichter gemacht.
Gleichwohl oder auch deswegen wäre die Ablehnung des Memorandums im Juli eine mögliche Entscheidungsalternative für Alexis Tsipras gewesen. Es war jedoch die Abwägung der unterschiedlichen Auswirkungen, die den Ministerpräsidenten schlussendlich zu einem »Ja« bewogen hat. Dieses Ja zur EU und zum Euro bedeutet in der Konsequenz einerseits die Anerkennung der politischen Kräfteverhältnisse, welche einer schnellen Änderung der Memorandumspolitik in der EU im Wege stehen. Andererseits haben 35,5% der Wählerinnen und Wähler die Abwägung von Tsipras nachvollzogen und erneut für Syriza gestimmt. Hierdurch hat Griechenland ein Stück Selbstbestimmung zurückgewonnen und ist politisch gestärkt, auch wenn der Teil der Nichtwählenden um 9% gestiegen ist. Wahlermüdung scheint nach diesem Jahr eine nachvollziehbare Reaktion.
Wer angesichts der realen Kräfteverhältnisse in der EU der 28 erwartet, dass die griechische Regierung die politischen Positionen der Troika dominieren könnte (Griechenland hat ca. 11 Millionen Einwohnende, die EU 508 Millionen, die Euro-Zone 338 Millionen), stellt überhohe Erwartungen an einen Ministerpräsidenten, der in den vergangenen sieben Monaten in seinem Kampf für die Neujustierung der Europäischen Politik weit gekommen ist. Tsipras ist mit den Neuwahlen einen demokratischen Weg gegangen und hat für seine Pro-Euro und Pro-EU Entscheidung Rückhalt bekommen. Es ist Syriza gelungen, die Differenzen zwischen den Gläubigern zu nutzen, die deutschen Pläne für einen Grexit zu durchkreuzen und sich begrenzte Chancen für politische Korrekturen der Gläubigerlinien zu schaffen. In der Frage des vom IWF geforderten Schuldenerlasses, in der zwischen IWF, deutschen und griechischen Regierung strittigen Ausgestaltung des sogenannten Treuhandfonds. Die von der EU-Kommission unterstützte Möglichkeit, reale Mittel für Investitionen in die Wirtschaft zu erhalten. Und die Möglichkeit, in einzelnen Bereichen soziale Reformen im Interesse der ärmsten Griechinnen und Griechen durchzuführen.
Syriza ist um die nun bevorstehenden Aufgaben, in diesem engen Korsett eine linke und sozial verträgliche Politik zu verantworten, nicht zu beneiden. Und gerade deswegen sollte DIE LINKE das Bündnis mit allem, was uns möglich ist, unterstützen. Dazu gehören auch die Wahlkämpfe in Portugal und Spanien, um das Gewicht im Rat links zu stärken. Herzlichen Glückwunsch, Alexis Tsipras!
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