Im Wirtschaftsausschuss hat in dieser Sitzungswoche eine Anhörung zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Flüchtlingsmigration stattgefunden. Entgegen der Erwartung, auch hier die politisch aufgeheizte Diskussion wiederzufinden, die die Wahlkampfzeit der vergangenen Wochen dominiert hatte, fand die Anhörung in einem ruhigen sachpolitischen Ton statt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (DIW) in Köln geht in einem extra erstellten Gutachten von 1,1 Millionen Menschen aus, die 2015 nach Deutschland gekommen sind und prognostiziert eine abnehmende Anzahl für die nächsten zwei Jahre.
Das ist jedoch gar keine so neue Erscheinung für Deutschland. Bereits in den 1960ern gab es eine massive Anwerbekampagne der deutschen Wirtschaft. Auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind viele Menschen nach Deutschland gekommen. In der Zeit der jugoslawischen Zerfallskriege sind viele Menschen vom Balkan zu uns gekommen. Beide Einwanderungswellen haben auch zu einer hohen gesellschaftlichen Aufregung geführt. Nach dem Ende des Krieges auf dem Balkan sind ca. 70% der Menschen in ihre Heimat zurückgegangen. Es sind aber auch viele Menschen hiergeblieben und haben sich eine neue Existenz hier aufgebaut. Mit dem gelingenden Aufbau einer eigenen Existenz und dem Einbringen in die deutsche Gesellschaft hat sich diese Aufregung wieder gelegt. Diese Zuwanderungen haben sich auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes positiv ausgewirkt.
Da wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Entwicklung in den Kriegs- und Krisengebieten nicht einschätzen können, geht das DIW von einer längeren Verbleibdauer der zu uns Geflüchteten aus. Für die politische Entscheidung der Aufnahme der Flüchtlinge steht im Unterschied zur Erwerbs- und Bildungsmigration der humanistische Aspekt im Vordergrund und nicht der utilitaristische. Dennoch sind gerade aus der humanistischen Perspektive auch die politischen, sozialen und die ökonomischen Aspekte zu betrachten.
Durch die jetzige Flüchtlingsbewegung wird sich die Zahl der erwerbsfähigen Menschen in Deutschland substanziell erhöhen. Dies trifft jedoch auf eine Situation, in der die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er beginnen, in Rente zu gehen. Dieser Rückzug aus dem Arbeitsleben wird in den kommenden Jahren auf Grund der geburtenschwachen Jahrgänge seit den 1990er Jahren gesamtgesellschaftlich nicht ausgeglichen. Zugleich bleibt der gesamtwirtschaftliche Bedarf an gering- und hochqualifizierten Arbeitskräften gleich hoch. In der Vorausschau kommt es daher in der Expertise des DIW besonders bei industrienahen Tätigkeiten, im Gesundheits- und im Pflegebereich zu Engpässen. Gerade hier liegt die Möglichkeit, die jetzige Situation auch als eine Chance zu verstehen. Sowohl für die betroffenen Menschen als auch die ökonomische und soziale Zukunft des Landes.
In der vom DIW genannten Studie von Susanne Worbs und Eva Bund im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flucht (BAMF) aus dem Jahr 2016 wurden Menschen befragt, die Asyl und Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zugesprochen bekommen haben. Von diesen hat jeder siebte der Befragten keine Schulausbildung, zwei Drittel haben keine Berufsausbildung. Dies kann aber mit einem realistischen Blick auf die Situation der Länder, aus denen die Befragten geflohen sind, nicht verwundern.
Die Aufnahme und Einbindung der Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft als Chance zu sehen und zu gestalten kostet Geld, keine Frage. Nach der Entscheidung der Bundesregierung zur Aufnahme der Flüchtlinge muss es nun die Aufgabe der Bundesregierung sein, sich um die praktischen Lösungen für die vielen unterschiedlichen Lebenssituationen zu kümmern. Das DIW schlägt vor, die Aneignung von Schul- und Sprachbildung, Berufs- und Fortbildung als zentrale Zugangsfähigkeiten staatlich viel stärker zu fördern, damit sich die Flüchtlinge in das alltägliche Leben in Deutschland besser einbringen können. Diese Position teilt DIE LINKE.
Es ist eben auch jetzt die Aufgabe der Bundesregierung, zum Wohl der politischen und sozialen Situation für alle Menschen in Deutschland zu handeln. Sie könnte die derzeitige polarisierte politische Diskussion durch die Erklärung einer Sozialstaatsgarantie beruhigen, wie sie es 2008 in der Finanzkrise für Spareinlagen bis 100.000 Euro gemacht hat.
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