Am 20. Januar endete die Übergangszeit, die die weltpolitische Lage seit der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsident der USA geprägt hat. In diesen Übergangswochen ist vermutlich so viel über Trump geschrieben worden wie seinerzeit 2008 über den neu gewählten US-Präsidenten Barack Obama. Aber im Gegenteil zu den fast schon messiashaften Lobreden über den gewählten, aber noch nicht vereidigten Präsidenten stehen die Berichte über Donald Trump unter der vollständig entgegen gesetzten Erwartung.

Ein amerikanischer Sozialwissenschaftler schrieb in der Jahrtausendwende: Fast ein jeder amerikanischer Präsident strebt danach, in der Geschichte so große Fußspuren zu hinterlassen wie Washington, Lincoln, Napoleon, Lenin oder andere. Aber das amerikanische Verfassungssystem mit seinen Kontrollen und Balancen erlaubt ihm heute in aller Regel nicht mehr zu sein als Jimmy Carter, der ehemalige Erdnusspräsident. Die Reichweite und die politische Bedeutung des amerikanischen Präsidenten definieren sich weniger aus der Person heraus als aus der Stärke der USA und ihrer Rolle in der Welt.

Wenn man dieser Sichtweise folgt, ist die Frage nach der momentanen politischen Lage in den Vereinigten Staaten von Amerika interessanter als die nach dem persönlichen Profil von dem politischen Außenseiter und Milliardär Donald J. Trump.

Mit einem etwas längeren Blick zurück sehen wir zunächst die Rolle der USA als seinerzeit einzig verbliebene Supermacht nach dem Kollaps der Sowjetunion. Der Versuch, eine neue Weltordnung nach westlichem, demokratischem, liberalem, kapitalistischem Vorbild zu schaffen, ist mit den militärischen Niederlagen in Afghanistan, Irak und auch in Syrien gescheitert. Mit diesem Blick enthält der angekündigte politische Isolationismus und wirtschaftliche Protektionismus der USA eine logische Komponente. Die USA können und wollen die globale außenpolitische Rolle, die ihnen mit dem Ende des Kalten Kriegs zugefallen ist und die sie beansprucht haben, nicht mehr ausfüllen.

Innenpolitisch hat die Freihandelspolitik zu einer starken Abwanderung von Arbeitsplätzen geführt. Auch die Finanzkrise von 2008 und ihre beschäftigungspolitischen Folgen sind bis heute in den USA spürbar. Die Einführung einer 35% Steuer auf Importe soll dazu führen, dass besonders US-amerikanische Firmen wieder in den USA produzieren und nicht in Mexiko, Pakistan oder China. Auch über den Austritt der USA aus der Welthandelsorganisation wird spekuliert. Der Vorschlag, eine Mauer nach Mexiko zu bauen, ist zum Symbolbild der neuen Abschottungspolitik geworden. Das Motto Amerika First steht im nationalegoistischen Trend der Zeit.

Auf der anderen Seite haben sich China und die BRICS-Staaten eine globale Reichweite erarbeitet. Russland hat sich vom Zusammenbruch der Sowjetunion erholt. Es ist keine Regionalmacht mehr, wie Obama Russland noch vor kurzem einstufte. Mit dem Kriegseinsatz in Syrien und der militärischen Unterstützung des Diktators Assad ist es zu einer politischen und imperialen Großmacht geworden. Es gibt derzeit kein global anerkanntes Kräfteverhältnis. Die Organisation der Vereinten Nation beruht noch auf den Verabredungen von 1945, ist veraltet und deshalb zahnlos. Diese global unsichere Umbruchsituation trifft die Europäische Union in einer äußerst fragilen Situation. Durch den Entscheid von Juni 2016 über den Austritt des UK aus der EU ist eine neue Situation entstanden. Die USA wollen in der Präsidentschaft Trump mit dem UK schnell einen privilegierten bilateralen Vertrag aushandeln. Schon 1963 hatte Frankreich sich unter Führung von de Gaulle gegen den Beitritt des UK gestemmt. Die EU wird nun eine Kontinental-EU. Der angekündigte Protektionismus und Isolationismus der USA führt zur Verunsicherung, da die Jahrzehnte lange Garantiemacht der westlichen Überzeugungen wegfallen könnte. Auch die Beteiligung des IWF in der »Troika« zur Euro-Rettung könnte wegfallen.

In der Türkei hat das Parlament gerade der Umwandlung in eine Präsidialdemokratie zugestimmt. Der autoritäre Umbau der Institutionen hat das Potenzial, dass die Beitrittsverhandlungen mit der EU abgebrochen werden. In der Folge entstünde ein zweites Mal ein verkleinerter Umriss. Sie steht zwischen den Großmächten USA und Russland, Griechenland und Bulgarien würden dann direkt an den explosiven Nahen Osten grenzen, in dem die Türkei NATO-Mitglied ist. Die von Trump aufgeworfene Frage nach der Zukunft der NATO ist ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor. Die EU, aber auch jeder Mitgliedsstaat steht vor der Herausforderung, außen-, friedens- und sicherheitspolitische Gewissheiten im Spannungsfeld von EU und Nationalegoismus zu überprüfen und neue Antworten zu geben.

Eine der vielfach verwendeten Redensarten von Trump ist »from day one«. Ab dem ersten Arbeitstag im Amt. Das ist Montag, der 23. Januar. Ab dann wird sich zeigen, wieweit es ihm gelingt, seine politischen Vorstellungen im Verfassungssystem der Kontrollen und Balancen durchzusetzen. Am Ende seiner Präsidentschaft wird man möglicher Weise ein ähnliches Fazit ziehen, wie jetzt bei Obama. Trump ist kein Superheld. Er ist großmäulig wie Richard Nixon. Grobkörnig wie Ronald Reagan. Breitbeinig wie George W. Bush. Mit jeder Menge kultureller Derbheit, rassistischen und sexistischen Überzeugungen. Auch nur ein amerikanischer Präsident.