Im November 2016 hatten die Konservativen (Les Republicains) bei ihren Vorwahlen zu einem Präsidentschaftskandidaten eine Überraschung erlebt. Der Favorit Alain Juppé und sein Konkurrent Nicolas Sarkozy fielen durch und der eher als blass charakterisierte Francois Fillon setzte sich in der Stichwahl durch. Damit gilt er aktuell als der aussichtsreichste Kandidat für das Amt des Präsidenten nach den Wahlen am 23. April und 7. Mai (Stichwahl).

Am 22. Januar hat die Parti Socialiste (PS), die derzeit den Präsidenten stellt, die erste Runde der Vorwahlen durchgeführt. Es sind 7 KandidatInnen angetreten. Nach dem Rückzug von Hollande sind Ex-Premierminister Manuel Valls, Arnaud Montebourg, Benoît Hamon, Vincent Peillon, François de Rugy, Jean-Luc Bennahmias und Sylvia Pinel angetreten. In der ersten Runde der Vorwahl kam entgegen der Erwartungen Ex-Minister Benoît Hamon mit 36 % vor dem amtierenden Ministerpräsident Manuel Valls (31%) auf den ersten Platz.

Hamon und Valls verkörpern ähnlich wie Bernie Sanders oder Hillary Clinton bei den Demokraten in den USA den linken und rechten Flügel ihrer Partei. Hamon fordert ein Grundeinkommen in Höhe von 750 €. Valls hatte als Ministerpräsident im Parlament von Art. 49 Abs. 3 der Verfassung Gebrauch gemacht. Mit dem Instrument kann die Regierung Gesetze ohne Parlamentsabstimmung beschließen. Es ist der Nachweis, dass die Regierung keine eigene Mehrheit im Parlament hat. In der Rechten hieß es: „Alles außer Sarkozy!“ Nun schallt in der Linken der Ruf: „Alles außer Valls!“

Hollande selber hat früher prominent und vehement gegen 49.3 protestiert, in seiner Amtszeit wurde der Artikel gleich zweimal angewendet, um eine französische »Agenda 2010« durchzusetzen. Beim Loi Macron und beim Loi El-Khomri. Das Gesetz Macron ist ein neoliberaler Angriff, der soziale Strukturen aufbrechen, mit Niedriglöhnen und Privatisierungen die französische Wirtschaft ankurbeln sollte. Mit dem Gesetz El Khomri wurde der Kündigungsschutz gelockert und unbezahlte Mehrarbeit bis zu 60 Wochenstunden ermöglicht. Nun, die Neoliberalisierung war für Frankreich so erfolglos, dass Hollande, der sich wie Schröder am Rückgang der Arbeitslosigkeit messen lassen wollte, nicht wieder antritt.

36% vor 31% ist ein knapper Vorsprung, aber Arnaud Montebourg, der mit knapp 18% auf dem dritten Platz landete, hatte sich noch am Sonntagabend hinter Benoît Hamon gestellt. Rechnerisch kommt so eine Mehrheit von 54% zustande, wenn die WählerInnen der Unterstützung von Montebourg folgen. Im Vergleich zu den Vorwahlen der Republikaner, an denen sich bis zu 4 Millionen WählerInnen beteiligt haben, waren die Angaben bei den SozialistInnen unterschiedlich zwischen 1,25 und 1,7 Millionen Stimmen. Dies ist auch als Ausdruck der momentanen desolaten Verfasstheit der Partei interpretiert worden.

Unabhängig von den Vorwahlen der PS wird bei den Präsidentschaftswahlen im April und Mai auch der ehemalige Investmentbanker, Minister für Wirtschaft, Industrie und Digitales, Emmanuel Macron antreten. Er hatte sich erst im August 2016 von der Politik Hollandes abgesetzt und eine Bewegung namens „En marche!“ gegründet. Auch der Gründer der Parti de Gauche, Jean-Luc Mélenchon, kandidiert wie schon 2012 wieder. Er hofft auf die Wiederholung seines Überraschungsergebnisses. So werden jedenfalls bei der Präsidentschaftswahl drei unterschiedliche Kandidaten antreten, die sich dem linken Lager zurechnen. Dies ist zugleich Ausweis der grundlegenden Zerstrittenheit.

Die Wahl in der Linken bestünde zwischen Hamon, einem eher radikal ausgerichteten Linken, der in der PS für eine Reorientierung an ihren politisch-historischen Wurzeln stünde, Macron, einem unabhängigen, aber ehemaligen Minister der Regierung des völlig diskreditierten Francois Hollande und Jean-Luc Melenchon von der Front de Gauche, der auch von Pierre Laurent und der KPF unterstützt wird. Anfang 2016 gründete Jean-Luc Mélenchon die Bewegung »La France insoumise«, »das ungehorsame Frankreich«. Der Vorwurf des Versuchs der Unterwerfung Frankreichs impliziert eine historische Analogie und richtet sich gegen die deutsche Dominanz in der EU.

In keiner aktuellen Umfragen kommt ein Vertreter der Linken in den zweiten Wahlgang. Eine neuere Umfrage hat die Republikaner aufgeschreckt, darin wird le Pen vor dem neoliberalen Fillon eingestuft. Fillon hat ein stark neoliberales Programm präsentiert, mit dem er als Präsident z.B. 500.000 Beamtenstellen abbauen will. Der Streit geht nun darüber, ob das Programm Fillons zu neoliberal ist, oder ob der Streit innerhalb der Republikaner die Ursache für sein Abrutschen ist. Aktuell kommt er wegen einer Korruptionsaffäre unter Druck, Fillon steht unter dem Verdacht, jahrelang seine Frau ohne Gegenleistung beschäftigt und aus öffentlichen Mitteln bezahlt zu haben. Die Ablehnung des Establishments geht auch in Frankreich tief und wir wissen aus den Wahlen vom 8. November 2016 in den USA, wer namentlich auf dem Wahlzettel steht, kann gewinnen.

Bei den Parlamentswahlen am 11. und 18 Juni (Stichwahl) werden in den Wahlkreisen oftmals zugleich Kandidaten der Front de Gauche, der Kommunistischen Partei Frankreichs und der Parti Socialiste antreten, was ihre Chancen auf Teilnahme an den Stichwahlen im Vergleich zu dem geschlossenen Auftreten der Konservativen und der radikalen Rechten erheblich schmälert. Im Unterschied zum Wahlsystem in Deutschland gibt es keine Listenmandate, sondern nur Direktmandate. Die Gefahr, nach den Präsidentschafts- und Nationalversammlungswahlen einem vollständig nach rechts gerutschten Frankreich im Elysee-Palast und der Assemblee National gegenüber zu stehen, ist absolut real. Le Pen wird es freuen.