Die Folgen der globalen Finanzkrise von 2008 haben die Verletzlichkeit der Euro-Zone ans Tageslicht gebracht. Die Währungskrise von 2010 ist bis heute unbewältigt, die Debatte über einen Grexit lodert in regelmäßigen Abständen wieder auf. Lediglich die Wetten auf den Zerfall des Euro wurden 2012 durch das Statement von Mario Draghi beendet, dass er alles unternehmen würde, um den Euro zu retten, »whatever it takes« sagte er wörtlich, was immer es kostet.

Im Januar 2015 hat die EZB das »Quantitative Easing Programm« (QE-Programm) begonnen und im März 2016 die monatliche Ankäufe von 60 auf 80 Milliarden pro Monat erhöht. Bis Dezember 2016 hat sie für ca. 1,6 Billionen Euro Staatsschulden aufgekauft und ist Gläubigerin der Staaten. Die zeitgleiche Nullzinspolitik der EZB entlastet die Haushalte der Mitgliedsstaaten vom Schuldendienst, weil sie hochverzinste Kredite gegen niedrig verzinste umschulden können. Aber es reicht dennoch nicht aus, um Fiskalpakt und Schuldenbremse in allen Staaten einzuhalten. Die Nord-Süd-Spaltung der Mitgliedsstaaten ist nicht kleiner geworden, sondern größer.

Ein weiterer Faktor ist die strategische Unterbewertung des Euro im Vergleich zu anderen globalen Währungen. Aus dieser Sicht ist der Euro im Mittelwert aller beteiligten Staaten um die 20% unterbewertet. Übersetzt: Das Verhältnis von Euro zu Dollar liegt derzeit bei 1:1,05. Es müsste nach dieser Einschätzung bei 1:1,25 liegen. Für Deutschland alleine wird die Quote bis zu 50% geschätzt. Das heißt, 1:1,5. Der Exportüberschuss der deutschen Wirtschaft begründet sich heute maßgeblich aus dieser Situation und ist wesentlich für die stärker werdende Diskussion über Schutzzölle und daraus eventuell folgende Währungs- und Handelskriege.

Dabei liegt Deutschlands Anteil am weltweiten Export bei 8%, Frankreichs, der zweitgrößten Wirtschaftsnation in der EU und im Euro bei 3%. Diese Zahlen untersetzen den Vorwurf aus Amerika, dass Deutschland die um es liegenden Länder durch die bestehende Asymmetrie systematisch ausbeute. Sie befeuern zugleich die Auseinandersetzung innerhalb der Mitgliedsstaaten von EU und Euro. Mit dem angedrohten Rückzug des IWF aus der Finanzierung der »Griechenlandhilfe« schwelt auch ein Feuer innerhalb von CDU und CSU wieder auf, die dem 3. Paket nur unter der Bedingung der Beteiligung des IWF zugestimmt hat. Schäuble ist am Rande seiner Möglichkeiten zur Knechtung angekommen.

Der EZB-Präsident hat Anfang Februar das erste Mal ein Kriterium für den Währungsaustritt genannt, es ist die Rückzahlung der »Target Salden«. Mit dem »Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System« werden grenzüberschreitende Zahlungen abgewickelt. An einer negativen Bilanz kann man erkennen, das Geld aus einem Land abfließt, aus einer positiven, das Geld zufließt. Z.B. hatte Italien im Dezember ein Minus von 364 Milliarden Euro, Spanien -330 Mrd. Euro, Frankreich -35 Mrd., Niederlande einen Überschuss von 110 Mrd., Luxemburg von 170 Mrd, Deutschland rund 750 Mrd. Euro.

An einer negativen Bilanz kann man erkennen, das Geld aus einem Land abfließt, aus einer positiven, das Geld zufließt. Z.B. hatte Italien im Dezember ein Minus von 364 Milliarden Euro, Spanien -330 Mrd. Euro, Frankreich -35 Mrd., Niederlande einen Überschuss von 110 Mrd., Luxemburg von 170 Mrd, Deutschland rund 750 Mrd. Euro.

Die Defizitländer müssten nach Draghi vor einem Austritt die Salden ausgleichen. Aber ist dies wirklich ein Eingeständnis, dass die EZB mit ihrem Latein am Ende ist?

In einer anderen Lesart zeigt sich hier die politische Dimension des QE-Programms. Mit 1,6 Milliarden Forderungen gegenüber den Mitgliedsstaaten ist die Europäische Zentralbank keine neutrale Größe mehr. Draghi hat mit der aufgezeigten Bedingung ein neues Instrument auf den Tisch gelegt. Die aus dem QE-Programm resultierenden finanziellen Forderungen der EZB gegenüber den Mitgliedsstaaten, die monatlich um 80 Milliarden steigen, machen diese erpressbar. Die Kosten, die die EZB derzeit für den Erhalt des Euro aufwendet, können sich mit einer Kehrtwende gegen die Souveränität der Nationalstaaten richten. Die Target-Salden galten 2012 als Fieberthermometer der Euro-Krise. Durch die Begleichungsforderung als Kriterium für den Austritt aus dem Euro können sie zur Kette der EZB am Halse der Schuldnerstaaten werden.

Auch aus dem wachsenden Gefühl der Bedeutung einer solchen Kette wird in vielen Mitgliedsstaaten Kritik formuliert und eine Rückkehr zu nationalen Währungen und zu nationaler Souveränität gefordert. Ein Ziehen in entgegengesetzte Richtungen führt zu einer Kraftprobe zwischen dem Ziel einer »immer engeren Union« und dem Anspruch einer Renationalisierung. In der anstehenden Kraftprobe sind die Wahlergebnisse der Nationalstaaten Nachweis der Stärke der Kräfte. Deshalb kommt den anstehenden Wahlen im Zentrum der EU, aber auch in der Mitte der EU-Wahlperiode 2014-2019 eine Schlüsselrolle zu. Denn hier treffen die politischen Stimmungen des auseinanderdriftenden Nord- und Südeuropas mit den Wahlgängen in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland in kurzer Abfolge aufeinander. Ihre Ergebnisse werden zeigen, auf welche Seite sich die Wippe neigt.