In einem Brief an die Mitglieder der Partei bedanken sich Katja Kipping, Bernd Riexinger, Harald Wolf und Thomas Nord für den Einsatz der Genossinnen und Genossen im Wahljahr 2017 und informieren über die Vorhaben und Herausforderung der kommenden zwölf Monate.
Brief von Katja Kipping, Bernd Riexinger, Harald Wolf und Thomas Nord an die Mitglieder der LINKEN
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir haben im 10. Jahr unserer Existenz als DIE LINKE das zweitbeste Ergebnis unserer Geschichte erreicht. Das ist ein großer Erfolg. Wir haben bei diesen Wahlen gezeigt, dass wir flächendeckend, auch im Westen und im konservativeren Süden, über 5 Prozent liegen. Bei jüngeren Wählerinnen und Wählern sogar bei 11 Prozent. Das zeigt, wir sind eine bundesweite Partei mit guten Zukunftsperspektiven. Ohne Euren Einsatz wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Habt dafür vielen Dank!
Die Freude über diesen Erfolg verstellt uns aber nicht den Blick darauf, dass die Gesellschaft nach rechts gerückt ist. Der neu gewählte Bundestag spiegelt das wider. Erstmals seit Jahrzehnten ist dort eine rechtspopulistische und in Teilen faschistische Partei vertreten. Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche für die schwarze Ampel aus CDU/CSU, FDP und Grünen ist die Situation offen. Am wahrscheinlichsten sind nun eine Fortsetzung der großen Koalition oder eine Minderheitenregierung, aber auch Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen. Wir bereiten uns auf alle Möglichkeiten vor und gehen selbstbewusst in die nächsten Wochen. DIE LINKE ist gut aufgestellt. Allein in diesem Jahr sind mehr als 7.800 Menschen Mitglied der LINKEN geworden, zwei Drittel von ihnen sind jünger als 35 Jahre. Wir heißen euch herzlich willkommen! Ihr seid herzlich eingeladen, die Partei aktiv mitzugestalten. Dafür machen wir auch als Parteivorstand konkrete Angebote.
Für eine linke Alternative
Dies sind gute Voraussetzungen, um als demokratische und aktive Mitgliederpartei für unsere Positionen zu streiten: In den Betrieben, in den Stadtvierteln, auf der Straße, in den Universitäten, in den Parlamenten und überall sonst, wo wir sind. Das ist nötiger denn je. Wir haben erlebt, wie wenig im Wahlkampf und danach in den Medien über drängende soziale, ökologische und friedenspolitische Themen gesprochen wurde. Es ist an uns, sie auf die Tagesordnung zu bringen.
Als einzige im Bundestag vertretene Partei streitet DIE LINKE gleichermaßen für soziale Gerechtigkeit und die Umverteilung von Reichtum. Wir setzen uns ein für eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV, für gute Löhne und Renten, damit alle genug zum Leben haben. Wir wollen, dass Arbeit gerechter verteilt wird und mehr Zeit für Familie, Freunde und Erholung bleibt. Eine Wochenarbeitszeit, die um die 30 Stunden kreist, ist sinnvoll und machbar. Arbeit kann gerechter verteilt werden zwischen denen, die überlastet sind und denen, die erwerbslos sind oder ungewollt in Teilzeit arbeiten – und auch zwischen Frauen und Männern. Wir wollen den sozial-ökologischen Umbau voranbringen, denn bereits jetzt sind Millionen Menschen weltweit von den Folgen des Klimawandels betroffen. Wir wollen das Asylrecht wieder herstellen und Fluchtursachen ernsthaft bekämpfen. Auch deswegen wollen wir Waffenexporte verbieten und setzen wir uns für eine friedliche Außenpolitik ein. Wir stimmen konsequent gegen Aufrüstung und Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Klare Kante gegen Rassismus
In Zeiten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks ist der Kampf gegen rechts eine zentrale Aufgabe für DIE LINKE. Wir werden uns der AfD und ihrer rassistischen Hetze in den Parlamenten und auf der Straße entgegenstellen. Unsere Alternative heißt Solidarität. Protest ist unersetzlich, doch das allein reicht nicht aus. Deshalb müssen wir überall, wo wir sind, klare Kante gegen rassistische, nationalistische und chauvinistische Positionen zeigen. Wir dürfen den Rechten nicht den öffentlichen Raum überlassen, sondern müssen dagegenhalten.
Gleichzeitig müssen wir daran arbeiten, der AfD den sozialen Nährboden zu entziehen. Die unsoziale Politik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass der Alltag für viele zur Zumutung geworden ist. Nach 25 Jahren neoliberaler Politik glauben viele nicht mehr daran, dass sich ihre Situation verbessern kann. Ihnen müssen wir ein politisches Angebot machen. Dazu ist es notwendig, konsequent für soziale Politik zu kämpfen. Doch DIE LINKE muss auch vor Ort verankert, sichtbar und erlebbar sein – gerade in Vierteln, in denen sich Parteien sonst kaum blicken lassen. Eine linke Partei darf die Erwerbslosen, prekär Beschäftigten und Menschen in den ärmeren Stadtteilen niemals aufgeben. Bereits seit letztem Jahr sind LINKE-Mitglieder in vielen Städten in die Nachbarschaften gegangen, um an der Haustür darüber ins Gespräch zu kommen. Wir haben Modellprojekte in sogenannten sozialen Brennpunkten gestartet, in denen Mitglieder vor Ort gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Protest organisieren. Wir haben vor der Erstellung des Bundestagswahlprogramms Veranstaltungen organisiert, um zu hören, was Interessierte aus befreundeten Initiativen und Organisationen, aber auch die Mitglieder von der LINKEN erwarten und was sich aus ihrer Sicht dringend ändern muss.
In den letzten Wochen gab es in der Partei aber auch Auseinandersetzungen um die Flüchtlingspolitik und den Umgang mit den Rechten. Beim letzten Parteitag und im Parteivorstand haben wir dazu klare Positionen beschlossen. Wir verteidigen das Recht auf Asyl und die Perspektive der Bewegungsfreiheit. In der politischen und medialen Debatte werden Menschen gegeneinander ausgespielt. Als LINKE ist es unsere Aufgabe, die wirklichen Ursachen zu benennen. Wir machen klar, dass Fluchtursachen und nicht Geflüchtete das Problem sind. Wir wollen eine soziale Offensive für alle. Denn schon lange bevor viele Menschen nach Deutschland flüchten mussten, gab es zu wenig bezahlbaren Wohnraum, zu geringe Löhne, zu wenige Arbeitsplätze.
Die Auseinandersetzungen darüber in der Partei drehten sich zu stark um Personen. Die Debatte hat gezeigt: Wir zerren aneinander, weil wir uns gegenseitig von der richtigen Richtung überzeugen wollen. Wir sollten die Kontroversen in der Sache führen und dabei nicht den medialen Theaterdonner bedienen, sondern in den Gremien der Partei diskutieren. Neben den Orten und Gremien, die dafür vorgesehen sind, planen wir für die nächsten Monate weitere Foren, um diese Diskussionen unter Beteiligung vieler Mitglieder weiter zu führen.
Mitreden und mitmachen
Wir schaffen in den nächsten Monaten viele Möglichkeiten, um mit euch ins Gespräch zu kommen und aktiv zu werden. Bereits im Dezember finden Massentelefonkonferenzen statt, zu denen alle Neumitglieder eingeladen sind. Jetzt ist eine gute Zeit, um vor Ort Aktionen, Veranstaltungen und Neumitgliedertreffen zu organisieren. Alle Kreisverbände und Mitglieder erhalten Material und verschiedene Vorschläge für Aktionen gegen rechts.
Im Rahmen der Kampagne „Das muss drin sein“ habt ihr schon viele gute Aktionen auf die Beine gestellt. Besonders im Bereich Gesundheit und Pflege konnten wir uns dadurch spürbar verankern und haben neue Mitglieder gewonnen, die in Pflegeberufen arbeiten. In diesem Sinne wollen wir weiterarbeiten und planen die Fortsetzung der Kampagne mit den Schwerpunkten Gesundheit/Pflege und bezahlbare Mieten. Den Auftakt für die Planung bildet ein Kampagnenworkshop im Januar.
Eine weitere Möglichkeit für Diskussion, zum Zusammenkommen und zum Pläneschmieden ist die Linke Woche der Zukunft vom 13. – 16. September 2018 in Berlin, zu der wir euch heute schon herzlich einladen. Dort wird es neben spannenden politischen und kulturellen Veranstaltungen auch Orte geben, um über die Partei zu reden, die wir sein wollen und wo wir die drängenden Zukunftsfragen wie Klimagerechtigkeit und Digitalisierung in Angriff nehmen. Jede/r ist eingeladen sich einzubringen.
Zudem wird im Herbst 2018 in Hessen und in Bayern gewählt. In Hessen hatten wir bei der Bundestagswahl ein richtig gutes Ergebnis und auch in Bayern haben wir stark abgeschnitten. 2019 wird in Sachsen gewählt und auch die Europawahl liegt vor uns. Auf diese Wahlen müssen wir uns inhaltlich und praktisch vorbereiten.
Harald Wolf ist kommissarischer Bundesgeschäftsführer
Wie viele von euch sicher gehört haben, ist Matthias Höhn am 10. November als Bundesgeschäftsführer zurückgetreten. Wir freuen uns darüber, dass Harald Wolf diese Aufgabe bis zum Bundesparteitag im Juni kommissarisch übernimmt. Der Parteivorstand hat unseren Vorschlag in seiner Sitzung am 11. November mit großer Mehrheit bestätigt. Harald Wolf bringt die nötige Erfahrung und Expertise mit, die für die politische Handlungsfähigkeit der Partei in den kommenden Monaten wichtig ist. Er ist ein über die verschiedenen Strömungen hinweg anerkannter Brückenbauer.
Liebe Genossinnen und Genossen, die aktuelle Situation ist durch viele politische und gesellschaftliche Unwägbarkeiten geprägt. Wir würden uns daher über eure Spenden sehr freuen. Wir bitten um Überweisung an den Parteivorstand der Partei DIE LINKE, IBAN: DE38 1009 0000 5000 6000 00, BIC: BEVODEBE, Berliner Volksbank eG. Unter https://www.die-linke.de/mitmachen/spenden/ besteht zudem die Möglichkeit, online zu spenden.
Wir haben in diesem Jahr Vieles erreicht und Vieles liegt noch vor uns. Packen wir es zusammen an. Werden wir unserer Aufgabe als linke Alternative in diesem Land gerecht – es braucht uns. Wir wünschen euch schöne und entspannte Feiertage im Dezember und einen guten Start ins neue Jahr.
Eure
Katja Kipping, Bernd Riexinger, Harald Wolf, Thomas Nord
– 11. Dezember 2017 –
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