Im Oberbürgermeisterwahlkampf setzen die Gegner von René Wilke (33 Jahre) zunehmend weniger darauf, die Zukunft der Stadt zu diskutieren. Renés Antworten halten offenbar jeder Debatte stand. Da dort wenig Raum für politische Geländegewinne vorhanden ist, wird zunehmend sein Alter bzw. seine Jugend thematisiert und davon abgeleitet seine Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit in Frage gestellt.
Das ist keine neue Methode. Sie ist so alt wie die Menschheit. Ältere Politiker stellen junge häufig in Frage. Vertreten Vorurteile über die Jugend. Oft wenn es darum geht, die eigene Macht zu erhalten. Von Aristoteles (384 v. Chr.) stammt das Zitat: „Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von Morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“ Mit der Realität hat das schon damals nichts zu tun. Alexander der Große wurde in derselben Zeit als Zwanzigjähriger König und starb mit knapp 33 Jahren. Sein sehr kurzes Leben wurde zur Legende.
Nun wäre es unangebracht, damalige Zeiten mit der Gegenwart zu vergleichen. Die Wahl in Frankfurt (Oder) ist auch nicht der Versuch, ein Weltreich zu gründen. Renés Ziel der Neubegründung der Stadt als Hauptstadt Ostbrandenburgs ist zwar ehrgeizig, aber zugleich deutlich bescheidener. Können junge Politiker sowas? Nun, Oskar Lafontaine wurde im Alter von 33 Jahren erfolgreicher Oberbürgermeister von Saarbrücken. Einer Stadt mit 180 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Matthias Platzeck wurde mit 36 Jahren Umweltminister in Brandenburg. Es war für ihn und dieses Ressort in Brandenburg eine erfolgreiche Zeit.
Wir müssen jedoch nicht einmal in die nahe Vergangenheit schweifen. Frankfurt (Oder) selbst hat gegenwärtig erfolgreiche junge Politikerinnen und Politiker. Sie sind nur leider nicht in der Stadt aktiv. Manuela Schwesig, hier 1974 geboren, wurde mit 34 Jahren Ministerin in Mecklenburg-Vorpommern, im Alter von 37 Bundesministerin und ist heute Ministerpräsidentin. Franziska Giffey, 1978 in Frankfurt (Oder) geboren, wurde im Alter von 36 Jahren Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, einem Stadtbezirk mit rund 330 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Sie wird in der kommenden Woche als Bundesministerin vereidigt. Die Bilanz beider Politikerinnen muss man noch abwarten. Sicher ist jedoch, anderswo wird junge Politik aus Frankfurt (Oder) sehr geschätzt und gern in die Verantwortung genommen. Dafür stehen auch Klaus Lederer, heute Bürgermeister in Berlin oder Sebastian Scheel, heute Staatssekretär in Berlin, die beide eine Frankfurter Vita haben.
Nun wäre das für René Wilke auch eine Variante. Die Angebote gab es. Das ist bekannt. Er hat sich aber bewusst für seine Stadt und gegen eine Karriere anderswo entschieden. Und das ist auch gut so. Er ist ein politisches Talent, das trotz oder auch wegen seiner Jugend und Dynamik schon heute sehr viel für seine Stadt, sein zu Hause, geleistet hat. In der Stadtverordnetenversammlung und im Landtag hat er seine Fähigkeiten und Kompetenz vielfach bewiesen. Als Haushalts- und finanzpolitischer Sprecher im Landtag hat er nun bereits den 3. Landeshaushalt (pro Jahr rund 12 Mrd.€) mitentwickelt, verantwortet, mehrheitsfähig gemacht und zu einer Beschlussfassung im Parlament geführt. Er hat klare Ziele, einen Plan, Kraft, Energie und Ausdauer, die Fähigkeit andere zu begeistern und steht für eine neue kooperative politische Kultur. Ich denke, Frankfurt (Oder) sollte dieses Angebot am kommenden Sonntag nicht ausschlagen.
Thomas Nord, MdB und 60 Jahre alt
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