Während Macron im Plenum des Bundestages über die Notwendigkeit einer Europäischen Armee sprach, fanden in Frankreich mehrere Protesttage der „Gelben Jacken“ statt.

Gelbe Karte für Macron

Warnwesten in Frankreich

 

Emmanuel Macron ist es noch schneller gelungen, in der Beliebtheitsskala abzustürzen als dem vorherigen Präsidenten Francois Hollande, was am Ende der Amtszeit von Hollande als undenkbar erschien. Aber sechzehn Monate nach der Amtseinführung greift der Französische Präsident zum gleichen Mittel wie Angela Merkel. Wenn es in der Innenpolitik brenzlig wird, fährt man für die glänzenden Überschriften halt ins Ausland.

Am Volkstrauertag, der in Deutschland 1919 eingeführt wurde, fuhr er zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs nach Berlin. Er legte einen Kranz an der Neuen Wache nieder und sprach im Plenum des Deutschen Bundestages über Europa und begründete seine Sicht der Notwendigkeit zu einer Gemeinsamen Europäischen Armee. Ein Appell für Frieden und Abrüstung wäre dem Anlass würdiger gewesen. Am Montag und Dienstag war Macron in Brüssel.

Gilets Jaunes – die gelben Warnwesten

Derweil liefen in Frankreich mehrere Protesttage der »Gilets Jaunes«, der Gelben Jacken oder Warnwesten, wie sie in jedem Auto mitgeführt werden müssen. Es handelt sich hier nicht um eine Protestaktion, die von der organisierten Politik ins Leben gerufen wurde, sondern um eine Unmutsäußerung, die viel Zustimmung gefunden hat bei Menschen, die vorher nie protestieren waren. Eine Frau hatte einen facebook-post veröffentlicht, in dem sie mit einer Warnweste bekleidet, ihren Ärger über die Steuererhöhungen auf Diesel und Benzin zum Ausdruck bringt. Ein Liter Superbenzin liegt derzeit bei ca. 2 Euro und die Steuern sollen den Preis ab 1. Januar 2019 weiter steigen. 2,9 Cent für den Liter Benzin, 6,5 Cent für Diesel. Bis 2023 sind weitere Steigerungen angekündigt. Der Post wurde schnell aufgegriffen und verbreitet, die gelbe Warnweste wurde zum landesweiten Erkennungsmerkmal.

Offiziell sind die Erhöhungen für die Begleichung der Kosten der Energiewende und des Klimawandels deklariert, von den eingeplanten vier Milliarden Euro wird aber nur eine für den ökologischen Umbau ausgewiesen. Die anderen drei Milliarden sollen praktisch in das allgemeine Steueraufkommen einfließen, u.a. um die Staatsschulden zu senken. Die Erhöhungen sind für den allgemeinen Verkehr geplant, nicht aber für den Luft- und Frachtschiffverkehr, auch das wird kritisiert. Gleichzeitig sollen etliche Strecken bis zu einer Länge von 9.000 Km bei der französischen Eisenbahn SNCF gestrichen werden.

Mit Facebook und Twitter auf die Straße

Die Proteste der Warnwesten sind über social media organisiert und werden von vielen unterstützt, weil die Steuererhöhung auf die Kraftstoffe eine zusätzliche Belastung für die arbeitende Mittelschicht darstellt, besonders für diejenigen, die weite Pendelwege haben, kann monatlich in etwa ein Betrag von 100 € zusammenkommen. Bei 1.300 € Nettolohn ist das ein spürbarer Einschnitt, da die Löhne nicht erhöht werden. In einer Umfrage für den Sender France haben drei Viertel der Befragten grundsätzliche Zustimmung zu den Protesten geäußert. Am vergangenen Samstag haben nach Angaben des Innenministeriums ca. 280.000 Menschen an 2.000 nicht angemeldeten Blockadeaktionen teilgenommen. Darunter waren auch viele, die ihrem allgemeinen Ärger über die Politik von Macron und seiner Regierung Luft machen wollten.

Bei den Verkehrsblockaden ist es zu einer größeren Anzahl von Unfällen und Verletzungen gekommen, zwei Menschen starben durch Verkehrsunfälle. Kommentaren zufolge ist dies auch durch die viele Menschen der Mittelschicht bedingt, die bisher keine Protest- oder Demonstrationserfahrungen gemacht haben. Die größte mediale Aufmerksamkeit bekamen die Protestierenden, die zum Elysee-Palast gehen wollten. Dort gilt wie in Berlin eine Bannmeile. Sie konnten erst nach einer Stunde voller Reibereien durch starke Polizeikräfte unter Einsatz von Tränengas zurückgedrängt werden. Es wurde aber auch berichtet, dass eine Reihe von Polizisten Sympathien für die Proteste hätte, weil sie selbst von den Auswirkungen der Steuererhöhungen betroffen sind.

Kritik von Parteien und Gewerkschaften

Die Proteste wurden nicht von einer der etablierten politischen Größen organisiert, weder von Gewerkschaften noch von Parteien. Teilweise haben sie sich sogar deutlich von den Protestaufrufen distanziert. Ihr Argument: Es wäre besser für höhere Löhne zu kämpfen und gegen die Lohnungleichheit insgesamt als gegen eine einzelne Steuer zu protestieren. Andere wie zum Beispiel le Pen haben versucht, den Protest für sich zu reklamieren. Dies wurde aber offensiv zurückgewiesen. La France Insoumise sieht in den Protesten einen Nachweis für die nachhaltige Spaltung von Politik und Gesellschaft. Die kommunistische Partei Frankreichs fordert die Aufhebung der Steuern und einen vernünftigen Vorschlag für die ökologische Wende. Die großen Ölkonzerne und die privaten Straßenverkehrsunternehmen müssen an den Kosten beteiligt werden. Von der Regierung werden die Proteste mit dem Verweis verurteilt, sie seien egoistisch und nur vom individuellen Geldbeutel her motiviert, nicht aber von der gesellschaftlichen Solidarität.

Der rote Dani z.B., wie Daniel Cohn-Bendit sich im Roten Mai in Paris 1968 nannte, verurteilte die Proteste, weil sie zu viele Forderungen ineinander mischen würden und sich weigerten, auf die Frage zu antworten, wer denn die ökologischen und finanziellen Schulden sonst bezahlen sollte. In der Tendenz sieht er zwar eine Berechtigung der Proteste, aber sie sind irgendwie auch populistisch. Cohn-Bendit hatte 2017 ein Angebot von Emmanuel Macron abgelehnt, als Minister in seine Regierung einzutreten. Jetzt unterstützt er offiziell die Partei En Marche im Europawahlkampf »mit aller Kraft«, die dem 73-jährigen zur Verfügung steht. Sein Auftreten zeigt auch, wie weit sich die offizielle und institutionalisierte Politik von der alltäglichen Lebensrealität der Menschen entfernt hat, die morgens aufstehen und zur Arbeit fahren. Es passt zur Borniertheit, mit der der Präsident Menschen in Frankreich gegen sich aufbringt, indem er sie faul und uneinsichtig nennt. Innenminister Collomb, ein früher entschiedener Unterstützer von Macron ist vor kurzer Zeit zurückgetreten und hat der Regierung »mangelnde Bescheidenheit« vorgeworfen.

Unstrukturierte Verpuffung?

Zu Beginn der Regierungszeit von Macron hat er seine Reformvorhaben z.B. im Arbeitsbereich gegen organisierte politische Kräfte geführt. Die Auseinandersetzungen um die Neoliberalisierung des Arbeitsrechts und auch der Streik der Eisenbahner*innen haben in den vergangenen Jahren mit Niederlagen der Gewerkschaften geendet. Die Auswirkungen sind langfristig spürbar und haben die Stellung der Gewerkschaften in der Gesellschaft und den Ruf ihrer Kampfkraft unterminiert. Mit dem Protest der Warnwesten ist die Auseinandersetzung schwieriger, da die Kommunikation nicht zentral organisiert ist. Allerdings liegt darin auch eine Schwäche der Warnwestenbewegung. Sie hat weder Struktur noch Organisation, die den Widerstand dauerhaft fortsetzen könnte. Dadurch kann ihr Protest nach einem starken impulsiven Aufbäumen mit geringer Wirkung verpuffen. Am Samstag, den 24. November ist der nächste große Protesttag angekündigt.