Das Jahr 2019 hält neben dem EU-Ratsvorsitz noch viele weitere Herausforderungen für das politische System und die Gesellschaft Rumäniens bereit.
Ratsvorsitz: Rumänien
Wohlwollend und Kritisch
Der Vorsitz des Rates der Europäischen Union rotiert halbjährig. Im vergangenen Halbjahr hatte Österreich und damit Kanzler Sebastian Kurz den Vorsitz. Mit dem Beginn des Januars ging der Vorsitz auf Rumänien über und auf die Regierungschefin Viorica Dăncilă. Sie ist Mitglied der Partidul Social Democrat (PSD) und wurde am 29. Januar 2018 zur Ministerpräsidentin gewählt.
Es war bereits der dritte Wechsel an der Regierungsspitze seit dem Wahlsieg vom Dezember 2016. Sie hat ihren Vorgänger Mihai Tudose nach gut sechsmonatiger Amtszeit abgelöst. Dieser folgte Ende Juni 2017 auf Sorin Grindeanu, der sich sieben Monate im Regierungsvorsitz gehalten hat. Beide hatten versucht, sich vom Strippenzieher im Hintergrund, dem Vorsitzenden der PSD, Liviu Dragnea, zu emanzipieren, der wegen Vorstrafen selber nicht Ministerpräsident werden kann.
Im April 2016 wurde er wegen Wahlbetrug zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch in der Walachei war 2017 anhängig. Ein Dekret zur Lockerung der Antikorruptionsvorschriften wurde lanciert, das im Falle seines Gültigwerdens den Vorsitzenden Dragnea amnestiert hätte. Korruptionsfälle sollten nur noch ab einer Höhe von 200.000 Lei geahndet werden, was damals in etwa 45.000 € entsprach, Haftstrafen bis zu fünf Jahren amnestiert. Die EU-Kommission könnte ähnlich wie im August gegen Polen ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit einleiten.
Dies hat im Februar 2017 Hunderttausende in Rumänien auf die Straße getrieben. Es waren die stärksten Proteste seit dem Sturz des Diktators Ceaucesco. Am 22. Januar 2017 nahm Staatspräsident Iohannis in Bukarest an einer Demonstration gegen die Änderung des Antikorruptionsgesetzes teil und hielt eine Rede. Iohannis war im Wahlkampf 2014 explizit mit dem Ziel der Bekämpfung der Korruption angetreten. Dragnea warf dem Präsidenten eine Kampagne mit dem Ziel eines Staatsstreiches vor. Die Vorwürfe nutzten nichts, das Dekret musste zurückgezogen werden. Im Juni 2018 ist Dragnea erstinstanzlich zu drei Jahren und sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden.
Eine Justizreform Ende 2017 wurde innerhalb Rumäniens hart kritisiert, weil darin ein Rückfall in alte Zeiten erblickt wurde. Staatsanwälten wurde die Unabhängigkeit gestrichen und sie wurden dem Justizminister unterstellt. Kritiker*innen befürchten nun eine willkürliche Einflussnahme auf die Justiz. Vorgesetzte der Staatsanwälte sollen die Ermittlungen annullieren können. Die Reform wird als eine deutliche Schwächung des Rechtsstaates gewertet.
Im November 2018 hat Iohannis zunächst einen Vorschlag zur Kabinettsumbildung abgelehnt, weil er aus seiner Sicht zwei unpassende Nominierungen enthielt. Sie seien so unpassend, wie eigentlich die gesamte Regierung von Ministerpräsidentin Dăncilă. Aber Dragnea hat mit diesem Vorstoß einmal mehr klar gemacht, wer das Sagen in seiner Partei hat und erneut Kritiker*innen abgestraft. Iohannis wirft seinerseits der Regierung vor, den Rechtsstaat abzubauen und die Korruptionsbekämpfung nicht zu führen.
Die Schilderung zeigt beispielhaft den Kampf Rumäniens im Dreieck zwischen Staat, Regierung und Bevölkerung, zwischen Herrschaft, Korruption und Demokratie. Sie zeigt einen harten Kampf, der ausgetragen wird. Der EU-Ratsvorsitz wird hiervon nicht unberührt bleiben. Aber er kann auch als eine Möglichkeit gesehen werden, eine stärkere kritische Öffentlichkeit in der EU herzustellen, die sich sonst eher marginal für die Geschehnisse in Rumänien interessiert.
Das Jahr 2019 hält für das politische System Rumäniens weitere Herausforderungen bereit. Neben dem gerade übernommenen EU-Ratsvorsitz stehen ebenso die Wahlen zum Europäischen Parlament an, die in den Tagen vom 23.-26. Mai durchgeführt werden. Der Wahlkampf ist der Auftakt in den Wahlkampf für das Amt des Präsidenten, die Wahl findet spätestens im Dezember 2019 statt. Iohannis hat bereits angekündigt, erneut zu kandidieren. 2020 wird ein neues Parlament gewählt.
Zur Übernahme des Ratsvorsitzes wurde im Bukarester Athenäum ein Festakt aufgelegt, zu dem auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Tusk und Parlamentspräsident Tajani angereist waren. Doch bevor sie bei der Regierung erschienen, hatten sie einen Termin mit dem Präsidenten Iohannis, wo Juncker im Erfolgsfalle der Korruptionsbekämpfung ein Ende des Monitoringprozesses in Aussicht stellte und den Beitritt zum Schengenraum.
Es gab anlässlich der Veranstaltung, der der Präsident der Abgeordnetenkammer, Liviu Dragnea fernblieb, Demonstrationen gegen die Regierung und die Korruption in Rumänien. Aber auch gegen den Kommissionspräsidenten, der sich zuvor sehr kritisch über die Fähigkeiten Rumäniens geäußert hatte, die Aufgaben, die mit dem Ratsvorsitz einhergehen, angemessen zu erfüllen.
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