Die politischen Krisenreaktionen auf die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 haben erheblich zur Verschuldung der Mitgliedsstaaten der EU und insbesondere der Euro-Zone beigetragen. So ist zum Beispiel der Schuldenstand der BRD durch das Rettungspaket der Bundesregierung über 480 Milliarden Euro von 60% auf 80% gestiegen. Die darüber hinausgehenden politischen Konjunkturmaßnahmen haben dadurch zunächst ein direktes Überschwappen auf die Realwirtschaft verhindert. Damit war die unmittelbare Schockwelle der Finanz- und Wirtschaftskrise zu großen Teilen abgefangen. Sie traf nicht wie Ende der 1920er Jahre in die Realwirtschaft, sondern in die unzulängliche Verfasstheit der Euro-Zone.

Im Jahr 2002 wurde die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion vollendet, der Euro als Realgeld eingeführt. Drei Jahre später scheiterte der Versuch zu einer gemeinsamen Verfassung durch die Voten in Frankreich und den Niederlanden. Als rechtliche Ersatzkonstruktion trat im Dezember 2009 der Vertrag von Lissabon in Kraft. Schon im Mai 2010 wurde der Vertrag mit der Hilfe für Griechenland gebrochen, das bail-out Verbot des Artikels 125 AEUV hatte in etwa sechs Monate gehalten. In Deutschland wurde die Bewilligung mit einer starken Kampagne gegen die „faulen“ Südländer begleitet, denn es war Wahlkampf in Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Seitdem befindet sich das Europäische Recht in einer beständigen kreativen Neuschöpfungsphase. Die Wirtschafts- und Finanzkrise aus dem Jahr 2008 hat sich 2010 in eine Währungskrise verwandelt. Dementsprechend wurde die Krisenpolitik in den Landtagswahlkämpfen 2011 intoniert, derweil auf der anderen Seite eine Hilfskonstruktion nach der anderen – zum Beispiel EFSF und ESM – ersonnen wurde, um die offensichtlichen Konstruktionsmängel des Euro zu beheben. In der jetzt erkennbar werdenden Zielstellung der Vorschläge aus Rat und Kommission wird die Zentralisierung und Ermächtigung der europäischen Ebene als Lösung angestrebt. Das Parlament wird in diesen Vorschlägen in seiner Bedeutung marginalisiert.

Durch das erst neu eingeführte Europäische Semester haben sich die Mitgliedsstaaten darauf verpflichtet, der EU-Kommission ihre jeweiligen Haushaltsentwürfe vorzulegen, bevor sie im Parlament diskutiert werden. Die Kommission ihrerseits gibt Empfehlungen an die nationalen Regierungen, wo diese den Haushalt nachbessern müssen, um zum Beispiel die Maastricht-Kriterien und die Schuldenbremsen einzuhalten. Mit der Verabschiedung des Fiskalpaktes sind die Staaten weitere Verpflichtungen eingegangen, was die Haushaltsführung angeht.

Ein aktueller Vorschlag sieht vor, die Empfehlungen der EU-Kommission zu verpflichtenden Maßgaben zu machen. Der deutsche Finanzminister fordert die Einführung eines EU-Sparkommissars, der Durchgriffsrechte in die jeweiligen nationalen Haushalte hat. Dies trifft in den meisten EU-Ländern auf entschiedenen Widerstand, die dieses zentrale Souveränitätsrecht nicht aufgeben wollen. Besonders bei denen, die Gefahr laufen, den Rettungsschirm in Anspruch nehmen zu müssen.

Im Februar 2012 wurde das zweite Hilfspaket für Griechenland beschlossen. Auch hier war die Bewilligung der Kredite von einer massiven Anti-Kampagne gegen die „faulen“ Südländer begleitet. Im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen standen Landtagswahlen an. Zur Zeit wandelt sich die Währungskrise in eine Krise der jetzigen Verfasstheit der EU, weil die bestehenden politischen Institutionen nicht in der Lage sind, die Krise effektiv zu beenden. In Britannien mehren sich die Stimmen für einen Austritt aus der EU. Finnland hat schon mit einem Austritt aus der Euro-Zone gedroht. Ebenso Österreich. Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die ein Verlassen der Euro-Zone fordern, obwohl die deutsche Wirtschaft am nachhaltigsten vom Euro profitiert. Der Nationalegoismus wird angesichts der nun lang anhaltenden Krise stärker.

Die rechtskonservativen Reaktionen auf das Erstarken nationalchauvinistischer Stimmen folgen bekannten Mustern. Die verstärkte Einreise von Roma und Sinti aus Serbien und Mazedonien wird von der CSU als Asylmissbrauch thematisiert. Gleichzeitig werden beide Länder als sichere Drittländer ausgewiesen, obwohl Roma und Sinti systematisch ausgegrenzt und verfolgt werden. Die CSU spielt die Stammtischparole „Der Asylmissbrauch muss gestoppt werden“. Sie war in dieser Form aus der offiziellen Politik zuletzt am Anfang der 1990er Jahre zu hören.

Die christlich-konservative Kraftmeierei hat die gesellschaftliche Stimmung, in der die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen geschahen, stark angeheizt, weil der Eindruck entstehen konnte, dies steht in Übereinstimmung mit der offiziellen bundesrepublikanischen Politiklinie. Kurz darauf wurde in der Bonner Republik 1993 das Asylrecht mit den Stimmen von CDU, CSU, FDP und SPD faktisch abgeschafft. Der deutsche Michel (Glos, CSU) war zufrieden.

Gerade wird die erst 2010 eingeführte Visa-Liberalisierung für den West-Balkan von Innenminister Friedrich (CSU) in Frage gestellt. Auch die tageweise Aussetzung des Schengen-Abkommens durch einzelne Mitgliedsstaaten wurde kürzlich beschlossen. Dies ist ein Instrument, das davon ausgeht, dass sich die derzeitige europäische Krise verschlimmert. Der bayerische Innenminister stellt genauso wie der FDP-Vorsitzende den Verbleib Griechenlands offen in Frage. Der EU-Beitritt von Kroatien wird von Bundestagspräsident Lammert in Frage gestellt.

ie gesamte EU-Beitrittspolitik für den West-Balkan wird in Frage gestellt. Europäische Solidarität heißt aus dieser Sicht, zuerst auf den eigenen Euro-Geldbeutel zu schauen. Der deutsche Wohlstand muss gesichert werden, koste es, was es wolle. Demokratie und Freiheit sind im Zweifelsfalle zweitrangig. Hier kündigt sich eine Tonart an, die nur einen Rückschluss zulässt. Bald wird gewählt, in Bayern und im Bund.