Die Abstimmung über die „Ertüchtigung“ der EFSF im September war der Auftakt zu einem Dreisprung, an dessen Ende die Einsicht stehen wird, dass eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion mehr ist als ein nationalökonomischer Wettbewerbsvorteil. Sie ist eine Binnenwirtschaftszone, die eine demokratisch legitimierte Fiskal- und Sozialunion braucht. Wenn man diesen Fakt anerkennt, wird schnell deutlich, dass die derzeit immer wieder zu hörende Rede der Vermeidung von Ansteckungsgefahren in der Euro-Zone reine Schönfärberei ist. Wenn ein Hurrikan am Horizont aufzieht, ist es vernünftig, sich auf ein Unwetter für die gesamte Region einzustellen.
In der Realität ist der Hurrikan der Euro-Krise beständig stärker geworden, er hat die Kraft zu einer systemischen Krise der EU. Nachdem die Rating-Agenturen französische Banken herabgestuft haben und der Deutschen Bank eine Abstufung in Aussicht gestellt haben, geht es nicht mehr um Spanien und Italien, die schon jetzt Höchstpreise für ihre Anleihen bezahlen müssen. Das Domino der Rating-Agenturen stellt nun die Kreditwürdigkeit für Frankreich und die Bundesrepublik auf den Prüfstand. Die Abstufung von Frankreich und Deutschland hätte Auswirkung auf die mühselig beschlossene Kreditsumme von 440 Milliarden, sie würde dadurch reduziert. Hier ist eine politisch gerichtete Linie ökonomischen Handelns erkennbar, die über kurzfristiges Profitdenken hinausgeht. Es sind keine Naturgesetze, es ist menschliches Handeln. Als Abwehrmaßnahmen gegen die Ausweitung der Kampfzone müssen weiter reichende Überlegungen her, die bestehen in der Errichtung einer europäischen Fiskalunion. Die Ankündigung des Finanzministers, die Euro-Zone in diese Richtung zu entwickeln, hat dazu geführt, dass der Haussegen in der Wunschkoalition wieder einmal schief hängt. Das ist der Normalzustand von Schwarz-Gelb. Er scheint zum Normalzustand der Französisch-Deutschen Beziehungen zu werden.
Die FDP führt gerade die Urabstimmung über den ESM durch. Die CSU lehnt eine dauerhafte Fiskalunion und Vergemeinschaftung von Schulden ab, sie wertet eine Fiskalunion als Einstieg zur Verwirklichung von Euro-Bonds. CSU und FDP wäre es am liebsten, wenn die EU ertüchtigt würde, ohne Kernkompetenzen der Nationalstaaten zu beschneiden. Die Finanzhoheit soll im Bundesparlament bleiben. Im Leitantrag, den die CSU vor einer Woche in Nürnberg einstimmig verabschiedet hat, wird ein europäischer Finanzminister expressis verbis abgelehnt. Die CSU beharrt darauf, dass es keine Ausweitung der Hilfen über das bisher Vereinbarte hinaus geben dürfe. Damit stellt sie sich auch gegen den Plan der Hebelung der EFSF auf den fünffachen Wert. Hebelung heißt, die zu vergebenden Kreditsummen werden auf ca. 2,2 Billionen Euro vervielfacht, ohne höhere Garantien zu geben. Damit sind aber höhere Haftungssummen nicht ausgeschlossen. Mit der ablehnenden Haltung von CSU und FDP sind die Pläne nicht vom Tisch, denn für die Zustimmung zur EFSF ist zum Beispiel in der Slowakei die Koalition gebrochen. Die SPD stünde bereit und so werden CSU und FDP auch dieses Mal wieder umfallen.
Die Weiterentwicklung der Eurozone bzw. der EU zu einer Fiskalunion wäre ein Schritt zu einer Gesamtstrategie gegen den Finanzhurrikan, der durch die neoliberale Entfesselung der Märkte ausgelöst wurde. Aber er würde es notwendig machen, weitere Souveränitätsrechte von den Mitgliedsstaaten nach Brüssel zu übertragen. Der Rechtsbruch des Griechenland-bailout von 2010 sollte zunächst ohne Konvent durch eine kleine Vertragsänderung des Artikel 136 AEUV repariert werden. Diese Änderung ist noch vor ihrer Ratifizierung als zu kurzsichtige und ängstliche Maßnahme gescheitert. Nun schlägt die Bundesregierung die Einberufung eines neuen Konvents vor, was angesichts des Scheiterns der Verfassung des vorhergehenden Konvents in den nationalstaatlichen Ratifizierungsprozessen nahezu an Wagemut erinnert. Die Bundesregierung macht diesen Vorschlag nur unter dem absoluten Druck äußerer Kräfte, die sie selber mit der Zustimmung zur Deregulierung der Märkte frei gesetzt hat. DIE LINKE hat den Vertrag von Lissabon als einzige Partei im Parlament wegen der neoliberalen Ausrichtung abgelehnt. DIE LINKE hat erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Vertrag geklagt. Die heute gültige Parlamentsbeteiligung beim Rettungsschirm ist ein Erfolg unseres Handelns.
Das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klage gegen das nach den Verträgen von Lissabon verbotene „bail-out“ von Griechenland vom 7. September hat für die Ratifizierung der Arbeit eines neuen Konvents die Messlatte erheblich höher gelegt. Das heißt konkret, eine weitere Übertragung von Souveränitätsrechten ist auch in der BRD nur mit einer Volksabstimmung umzusetzen. Auch dies hat DIE LINKE stets gefordert. Das Elitenprojekt Europa muss durch einen Volksentscheid über die Politik der EU zu einem Projekt der Bürgerinnen und Bürger werden. DIE LINKE fordert seit Inkrafttreten der Lissabonner Verträge eine vollständige Überarbeitung der Verträge. Insbesondere der Vorrang der Kapitalfreiheiten muss gekippt werden. Das Handeln der Banken muss reguliert werden. Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene. Eine soziale Fortschrittsklausel muss in die Verträge aufgenommen werden. Nur wenn auch die sozialen Ansprüche der Bevölkerungen europäisch verrechtlicht werden, ist eine Volksabstimmung über eine politische Union nicht zum Scheitern verurteilt.
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