Bundesinnenminister Friedrich hat – wie letzte Woche berichtet – mal wieder eine rassistische Kampagne losgetreten. Über sein Ministerium ließ er gleichzeitig die Kommunen auffordern, Probleme wie Prostitution, Bettelei und Schwarzarbeit mit Hilfe der Polizei und des Zolls anzugehen. Mit seiner Kampagne werden Menschen, die hierher kommen, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive sehen, über einen Kamm geschert und in die Kriminalitätsecke gedrängt. Dies wird zusätzlich mit einem ethnischen Faktor verbunden. Dies geschieht über die äußere Zuweisung und eine Wahrnehmung, in der das äußere Erscheinungsbild von Anderen mit dem vom deutschen Innenminister zugeschriebenen »Problemverhalten« verbunden wird. In der Konsequenz führt das dazu, dass viele Menschen sich den Anderen gegenüber auch praktisch so verhalten, als ob sie dieses Problemverhalten wirklich hätten. Ein Minister, der populistische Aussagen über Einwanderung in die Sozialsysteme macht, obwohl er wissen müsste, dass die meisten nicht einmal Anspruch auf Hartz IV haben, schürt auf unverantwortliche Weise die rassistische Betrachtung von Migration.
Bei der Warnung des Städtetages handelt es sich doch eher um eine Klage der Kommunen gegenüber dem Bund, die einerseits aufgrund der finanziellen Punkt nachvollziehbar sein mag, wie dies der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma in einem Interview beschreibt. Aber weil sie andererseits eine nicht zu verantwortende rassistische Komponente hat, die auch von den Medien gerne aufgenommen wird, ist sie kritisch zu beurteilen. Denn die Leidtragenden sind nicht deutsche Kommunen, sondern vor allem die oft mit Rumänen und Bulgaren synonym gesetzten Sinti und Roma, die dem Generalverdacht ausgesetzt werden, kriminell zu sein. Das die Mär von der massenhaften Armutszuwanderung nicht zutreffend ist, wird deutlicher, wenn man die Zahlen konkretisiert. Demnach seien 2011 aus Rumänien und Bulgarien 147.091 Personen eingewandert, während es 2007 noch 64.158 waren. Schon jetzt stehe fest, dass die Zuwanderung aus diesen Ländern im ersten Halbjahr 2012 um 88.000 und damit um 24 % gestiegen ist.
Bei diesen Zahlen wird jedoch die Seite der Rückzüge nicht betrachtet. Wenn man diejenigen, die die Bundesrepublik verlassen haben, abzieht, bleiben 58.350 Menschen aus Rumänien und Bulgarien, die in die Bundesrepublik eingereist sind. In dieser Zahl stecken dann immer noch zu einem Teil die Saisonarbeitenden und die Studierenden aus Rumänien und Bulgarien. Niemand anderes als das Bundesministerium für Arbeit hat mit der Begründung »steigender Arbeitskräftebedarf« die Arbeitserlaubnis EU und das Kontingent für Saisonarbeitende und Schaustellergehilfen aus Bulgarien und Rumänien erhöht. Und im Wintersemester 2011/2012 waren in etwa 7.000 Studierende an deutschen Universitäten mit bulgarischer Staatsangehörigkeit eingeschrieben.
Auch eine andere Zahlenrelation ist interessant, auch sie wird kaum erwähnt, denn sie bietet keine reißerische Schlagzeile. Die Zahl der in Deutschland lebenden Staatsangehörigen aus Bulgarien und Rumänien ist von 2010 auf 2011 um 25,7 % gestiegen. Im selben Zeitraum ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus beiden Ländern von ca. 56.000 auf ca. 70.600 angestiegen, auch das sind ca. 25%. Hier bleibt vollständig offen, warum das Armutszuwanderung sein soll und warum das die Kommunen belastet. Mit der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit wird nun das nächste schon bekannte Schreckgespenst aufgemalt. Wir kennen dieses Szenario schon aus der Diskussion um die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit in Polen aus den Jahren 2010 und 2011. Nach dieser Dramaturgie wundert man sich heute, warum überhaupt noch jemand in Polen wohnt. Warum nicht Osteuropa längst vollständig entvölkert ist und sich in der Berliner Mitte gegenseitig auf die Füße tritt. Die detaillierte Auswertung der öffentlich zugänglichen Quellen (zum Beispiel der Migrationsbericht der Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aus dem Innenministerium oder die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit) und die Versachlichung der Mythen über die sogenannten »Armutsmigration« verdanken wir dem Mediendienst Integration. Vielen Dank.
http://mediendienst-integration.de/artikel/zuwanderungszahlen-deutlich-geringer.html
Kommentieren