Rechte versuchen derzeit, die Konservative Revolution wieder salonfähig zu machen. Der neue Artikel von Thomas Nord thematisiert die Verbindungen zum Faschismus.

Bewegte Zeiten

Die Konservative Revolution

 

Im Jahr 2016 haben sich einige nationalreaktionäre Parteien öffentlich getroffen und als Kampagnenmotto einen »Patriotischen Frühling« ausgerufen. Im darauf folgenden Jahr werden verschiedene Versuche sichtbar, erneut den Begriff der Konservativen Revolution zu bemühen. Unter anderem von Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag im Januar 2018, der gegen eine »linke Meinungsvorherrschaft« wettert. Grund genug, einmal auf die Hintergründe der Konservativen Revolution zu schauen.

Das Handbuch

Ein Handbuch über die Konservative Revolution wurde in der mittlerweile 6. völlig überarbeiteten und erweiterten Auflage im Jahr 2005 veröffentlicht. Die Neuherausgabe ist von Karl-Heinz Weißmann überarbeitet, der an den 2003 verstorbenen Autor Armin Mohler erinnert. Armin Mohler wurde 1920 geboren und hat die erste Konzeption der Konservativen Revolution als Dissertation an der Universität Zürich eingereicht. Sie wurde in der ersten Auflage 1950 veröffentlicht, Mohler hatte gerade eine Tätigkeit als Privatsekretär bei Ernst Jünger angetreten, dessen Roman »In Stahlgewittern« über seine romantisch verklärten Kriegserlebnisse auch heute noch zu den Standardwerken der Rechten gehört.

Der Herausgeber

Im Jahr 1940 wurde Mohler in der Schweiz zum Waffendienst einberufen, er flüchtete jedoch über die Grenze, um sich der Waffen-SS anzuschließen. Bei seiner Rückkehr in die Schweiz wurde er zu einem Jahr Festungshaft verurteilt. In einem 1973 veröffentlichten Essay fasste Mohler den Begriff der Konservativen Revolution als einen Sammelbegriff »für eine große Menge von Weltanschauungen (…), die seit den 1890er Jahren entstanden sind und auf den Zerfall des klassischen Links-Mitte-Rechts-Schemas reagierten, indem sie neue ideologische Konzepte schufen, die gekennzeichnet waren durch die Aufnahme von Vorstellungen, die traditionell nur der Linken oder der Rechten zugewiesen wurden, durch die Lösung von der Rückwärtsgewandtheit des alten Konservatismus und die Bejahung der Moderne (…) zu dem Zweck, Verhältnisse zu schaffen, deren Erhaltung sich lohnt.« (*1) Es handelt sich hier um den Versuch einer Sammelfront, darin liegt die Gefahr und Versuchung für Teile der Linken zugleich, die eher von einer Querfront spricht.

Der Mitherausgeber

Karl-Heinz Weißmann, Alter Herr in einer Göttinger Burschenschaft, Autor der Wochenzeitung »Junge Freiheit« und Lehrer in Northeim (Niedersachsen), war nach eigenen Angaben schon seit der dritten Auflage von 1989 an der Überarbeitung und Aktualisierung beteiligt. Mohler hat ihm den Staffelstab für die Weiterführung des Projekts übergeben. Nicht zuletzt dieser Übergabe vermutlich verdankt er die Berufung als stellvertretender Vorsitzender in das Kuratorium der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung. Stiftungsvorsitzende ist die ehemalige CDU-Abgeordnete aus Hessen, Erika Steinbach. Steinbach ist eine politische Ziehtochter von Alfred Dregger (1920-2002).

Dregger war einer der prominentesten Vertreter der Stahlhelmer in der CDU. Steinbach war von 1998 bis 2014 Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen. Sie kennt Alexander Gauland aus seiner Zeit in der Hessen CDU, wo er 1989 Leiter der Staatskanzlei war. Hier werden Konturen eines Netzwerkes sichtbar, dass an historische Wurzeln seit 1890 anknüpfen will und der Meinung ist, revolutionären Konservatismus und die nationalsozialistische Bewegung, die sich in deren gedanklichen und zeitlichen Fahrwasser herausgebildet hat, trennen zu können.

Die »saubere« Zwischenkriegszeit

Mohler hat stets darauf hingewiesen, dass er keine wissenschaftliche, sondern eine politische Arbeit verfasst hat, die »eine Hilfe für die rechte Intelligenz in Deutschland sein« sollte. (*2) Interessant ist die Differenz in der zeitlichen Rückbetrachtung. Während Mohler in dem Essay von 1973 einen zeitlichen Ursprung in den Jahren seit 1890 sieht, wird im Untertitel der 6. Auflage der Zeitraum der Betrachtung von 1918 bis 1932 eingegrenzt.

Diese zeitliche Eingrenzung ist ein durchschaubarer Versuch, die Zeit vom Ende des I. Weltkriegs und der Ernennung Adolf Hitlers zum letzten Kanzler der Weimarer Republik abzugrenzen. Der Eindruck soll erzeugt werden, als wenn es eine intellektuell und politisch klare Abgrenzung der Ideen einer Konservativen Revolution und der entstehenden nationalsozialistischen Bewegung gäbe. Aber eine klare Abgrenzung ist nicht haltbar. Die Konservative Revolution ist Vorbereiterin faschistischer Gesinnungen und des Dritten Reichs, wie ein Blick auf einige der Autoren zeigt.

Ernst Jünger

Namentlich wird auf Ernst Jünger und sein 1932 veröffentlichtes Buch »Der Arbeiter« als Ideengeber für Mohler verwiesen. Jünger sieht den Arbeiter als »Gestalt«, »die bereits mächtig in die Geschichte eingegriffen hat und die Formen einer veränderten Welt gebieterisch bestimmt« (*3). Jünger beschreibt die Dialektik als nicht geeignetes Instrument, seine Gestalt des Arbeiters ist der Dialektik übergeordnet und mythisch aufgeladen. Der Arbeiter führt aus Sicht von Jünger einen Angriff gegen die historischen Systeme, in dem er sich »der ihm allein zugeordneten Mittel nicht im liberalen, sondern im Sinne einer überlegenen Rasse bedient« (*4). Ein Exemplar des 1926 veröffentlichten Buchs »Feuer und Schwert« hat Jünger mit persönlicher Widmung »dem nationalen Führer Adolf Hitler« (*5) zugesendet.

Arthur Moeller van den Bruck

Ein weiterer Autor des Handbuchs über »Die Konservative Revolution« ist Arthur Moeller van den Bruck, sein Haupttext von 1923 trägt den Titel »Das Dritte Reich«. Sein Ziel: »Wir wollen nicht die Revolution weitertreiben, sondern die Ideen der Revolution, die in ihr lagen und die sie nicht verstand. Wir wollen diese revolutionären mit den konservativen verbinden, die sich immer wieder herstellen, und wollen sie konservativ-revolutionär dahintreiben, wo wir Zustände erreichen, in denen wir wieder leben können.« (*6) Moeller van den Bruck hat das Schlagwort vom »Dritten Reich« populär gemacht, aber er stammt von Dietrich Eckart (1868 – 1923). Eckart trat Mitte August 1919 der Deutschen Arbeiter Partei bei und traf dort einen Monat später auf Adolf Hitler und wurde dessen intensiver politischer und finanzieller Förderer, er finanzierte z.B. auch den »Völkischen Beobachter« (*7).

Oswald Spengler und Carl Schmitt

Mohler und Weißmann zählen auch Oswald Spengler und sein 1923 veröffentlichtes Buch vom »Untergang des christlichen Abendlandes« zur Konservativen Revolution, dessen Titel bis heute ein geflügeltes Wort ist. Aber auch den Reichsfachgruppenleiter und Staatsrat Professor Doktor Carl Schmitt, der 1933 in die NSDAP eingetreten ist. Am 1. August 1934 hat er in der Deutschen Juristen-Zeitung den Artikel »Der Führer schützt das Recht« (*8) veröffentlicht: »Alle sittliche Empörung über die Schande eines solchen Zusammenbruchs [die Niederlage im I. Weltkrieg ist gemeint] hat sich in Adolf Hitler angesammelt und ist in ihm zur treibenden Kraft einer politischen Tat geworden. (…) Das gibt ihm das Recht und die Kraft, einen neuen Staat und eine neue Ordnung zu begründen« (*9).

Mit dem Artikel legitimiert Schmitt die so genannte »Nacht der langen Messer« am 1. Juni 1934. Hitler hat für diese Nacht die Ermordung des SA-Führers Ernst Röhm und weiterer ihm politisch unliebsamen Personen angeordnet, die Schätzungen liegen zwischen 90 und 200. Nach den Morden verlor die SA ihre politische Bedeutung und die SS wurde aufgewertet. Schmitt schrieb wenige Tage später im Aufsatz »Der Führer schützt das Recht«, dass »der heutige deutsche Staat [im Unterschied zu dem von 1917] die Kraft und den Willen hat, Freund und Feind zu unterscheiden. (…) Wer den gewaltigen Hintergrund unserer politischen Gesamtlage sieht, wird die Mahnungen und Warnungen des Führers verstehen und sich zu dem großen geistigen Kampfe rüsten, in dem wir unser gutes Recht zu wahren haben« (*10).

Versuch der Wiederbelebung

Seit der Kampagne »Patriotischer Frühling« von 2017 ist ein verstärkter Rückgriff auf den Begriff der Konservativen Revolution zu verzeichnen. Am 11. November 2018 jährt sich das Ende des I. Weltkriegs für die Europäischen Zentralmächte zum 100. Mal. Damals haben die Altkonservativen die Bilder von der »Dolchstoßlegende« und dem »Versailler Verdikt« geprägt, um von ihrer Verantwortung abzulenken. Auf beide Elemente hat Hitler die Behauptung gesetzt, dass der I. Weltkrieg vom Deutschen Reich noch hätte gewonnen werden können.

Die »sittliche Empörung«, die Carl Schmitt beschrieb, resultierte aus diesen Mythen und wurden Hitlers motivatorische Quellen für den Kampf um die Wiedererrichtung einer Reichsordnung. Mohler nannte die Zielstellung einer Konservativen Revolution »Verhältnisse zu schaffen, deren Erhaltung sich lohnt.« Bei Moeller van den Bruck waren es die anzustrebende Zustände, in denen er und seine »Wir-Gruppe« wieder leben können.

Die heutigen Versuche von Rechtsextrem bis CSU, den Begriff der Konservativen Revolution und ihre Inhalte wieder salonfähig zu machen, werden in einer Zeit durchgeführt, in denen die Europäische Union auf tönernen Füßen steht. Sie steht vor hart umkämpften Parlamentswahlen und der Neubesetzung der Gremien für den Zeitraum von 2019 bis 2024. In den Ergebnissen der nationalen Wahlen der vergangenen Jahre sind teils sehr starke Veränderungen der politischen Kräfte in den Mitgliedsstaaten nach rechts zu erkennen. Polen, Ungarn, Frankreich, Italien, Schweden, Slowakei und andere.

Dieser Prozess hat unübersehbar auch in Deutschland eingesetzt. Das politische Berlin erlebt in der vierten Amtsperiode von Angela Merkel einen lähmenden Auszehrungsprozess, in der Merkel ihre Kraft bis Anfang Dezember auf die Wiederwahl als Parteivorsitzende richtet. Die extreme Rechte arbeitet derweil zielstrebig an der Wiederbelebung einer Konservativen Revolution. Die Entwicklung in der AfD von Lucke über Petry zu Höcke bestätigt, dass man dabei Dynamiken in Gang setzen kann, die man nicht unter Kontrolle hat. DIE LINKE tritt diesen Versuchen der Wiederbelebung in aller Klarheit entgegen.

 

Fußnoten:

(1) Mohler, Armin/ Weißmann, Karl-Heinz: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 – 1932. Graz, 2005, S.8.
(2) Ebda. S.4.
(3) Ernst Jünger, Der Arbeiter, Hamburg, 1932, Vorwort.
(4) Jünger, Arbeiter, S. 299.
(5) https://www.welt.de/wams_print/article2333149/Wie-Hitler-und-Hess-um-Ernst-Juenger-warben.html
(6) Moeller van den Bruck, Artur: Das Dritte Reich. Hamburg, S. 25.
(7) https://www.welt.de/geschichte/article159331952/Wer-noch-immer-das-Grab-des-Hitler-Erfinders-pflegt.html
(8) Deutsche Juristen-Zeitung, Organ der Reichsfachgruppe Hochschullehrer des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, 39. Jahrgang, Heft 15
(9) Ebda.
(10) Ebda.