Sechs Monate vor der Europawahl ist die Macht in der Mitte der Union mit sich selbst beschäftigt. Berlin steht in einem Machtvakuum, von dem nicht klar ist, wie es sich nach dem Umbruch füllen wird.

Union im Umbruch

Machtvakuum im Zentrum

 

Wie erwartet ist nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen auf höchster Ebene die Personaldiskussion ausgebrochen. Merkel konnte nach den zwei Mal minus 10 Prozent für die Union den Anspruch auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz nicht verteidigen. In einer Pressekonferenz verkündete sie ihren Verzicht auf den Vorsitz und eine fünfte Kanzlerkandidatur. Dafür bekam sie gedämpften Zuspruch, aber die kritischen Stimmen über den Verbleib als Kanzlerin bis 2021 ebben nicht ab.

Einigung in München

Nach der prinzipiellen Einigung über eine Regierung zwischen CSU und Freien Wählern in München hat CSU-Innenminister Horst Seehofer seinen Obersten Beamten Heinz-Georg Maaßen zum Wohle des Erhalts der Großen Koalition doch noch entlassen. Er hat seinen Dienst zur vollsten Zufriedenheit erfüllt. Nun kommt Seehofer und sein Verbleib als Minister erneut in das Fadenkreuz. Die Wahl von Markus Söder zum Ministerpräsidenten ist ein weiterer Schritt zu einem möglichen Rückzug von Seehofer.

Der SPD-Vorstand hat den Zusammenhalt von Partei und Koalition nach einer Klausur verkündet und beschworen. Sacharbeit ist nun wieder einmal das Gebot der Stunde, aber Nahles steht wegen häufigen Versagens unter starker innerparteilicher Kritik. Die Umfrageergebnisse wird das nicht verbessern. Die Zustimmung für SPD und Union liegen konstant unter 50 Prozent, die SPD taumelt angeschlagen in Richtung der 10-Prozent-Marke. Ein konsequent linkes Politikangebot hätte ein großes Potenzial, zumal Bündnis90/Die Grünen mehr und mehr ins bürgerlich-konservative Lager hineinreichen.

Verzicht erzwungen

Nach dem erzwungenen Verzicht von Merkel laufen sich in der CDU die Kandidaten für die Wahl zum Parteivorsitzenden warm. Insgesamt 12 haben sich bislang bekundet und es passt ja irgendwie zum christlichen Traditionsbezug, auch Jesus hatte 12 Jünger. Am 8. Dezember wird entschieden, wer der nächste Vorsitzende oder die Vorsitzende wird. Auch eine neue Generalsekretärin wird gewählt. Setzt sich Annegret Kramp-Karrenbauer durch? Wird Friedrich Merz der Martin Schulz der CDU? Oder doch einer der Anderen?

Für den Fortgang der Bundesregierung wird das Ergebnis Auswirkungen haben. Denn es handelt sich neben den Personen auch um inhaltlich unterschiedliche Ausrichtungen. Setzt sich AKK gegen FM durch, dürfte die Koalition in ruhigeres Fahrwasser kommen. Die Saarländerin ist Wunschnachfolge von Merkel und so werden sie im Erfolgsfall koordiniert auf eine reguläre Wahl 2021 hinarbeiten. In den ersten Tagen der Kandidatur von AKK sind Züge der Methode Kohl-Merkel sichtbar geworden, sie war wiederholt in der Union erfolgreich.

Merz, der Schulz der CDU?

Setzt sich Merz durch, wird es schwieriger. Denn im Dezember 2020 stünde neun Monate vor einer regulären Wahl wiederum eine Vorstandswahl in der CDU an, in der er seinen Vorsitz verteidigen müsste. Erst dann würde die Frage der Kanzlerkandidatur entschieden. Im Falle, dass Merz sich durchsetzt, steigt die Wahrscheinlichkeit einer vorgezogenen Neuwahl, um Vorsitz und Kanzleramt wieder in einer Person zusammenzuführen.

Ein oft spekulierter Zeitpunkt ist zeitgleich zur EU-Wahl. Merz hat vor der Bekanntgabe seiner Kandidatur in Brüssel Gespräche mit hochrangigen Politikern und Spitzenbeamten geführt. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, früher Förderer von Jens Spahn, hat Berichte über sein Mitwirken an der Kandidatur von Merz nicht dementiert.

GroKo – Stabile Seitenlage durch Rücktritt?

Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass wir vor Jahresende noch einen Sonderparteitag der CSU sehen werden. Allen Gerüchten zufolge soll Markus Söder Parteivorsitzender werden. Damit wäre auch ein Rücktritt des Innenministers eine Möglichkeit, um die GroKo in die stabile Seitenlage zu bringen und der SPD einen Beruhigungstee zu präsentieren. Der jetzige Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt wäre eine mögliche Nachfolge, die keine zu großen Wellen auslösen dürfte. Stühlerücken.

Die interessante Frage ist nach dem vorzeitigen Ruhestand vom Montag die nach der Zukunft von Maaßen, der sich in seiner Abschiedsrede als Opfer einer links-grünen Verschwörung stilisiert hat. Bereitet er nach dem Lob von Gauland für seine Haltung eine Spitzenkandidatur für die AfD bei der nächsten Bundestagswahl vor? Und was macht nebenbei bemerkt der Lieblingsstar der Bild-Zeitung, Karl-Theodor Guttenberg? Auch Doktor Plagiatus hat wie Friedrich Merz noch eine Rechnung mit Merkel offen. Juckt es ihm auf der anderen Seite des Atlantiks in den Fingern?

Wie wird das Vakuum gefüllt?

Sechs Monate vor der Wahl zum Europäischen Parlament ist die Macht in der Mitte der Union mit sich selbst beschäftigt und längst nicht mehr tonangebend. Berlin steht bis auf weiteres in einem Machtvakuum, von dem nicht klar ist, wie es sich nach dem Umbruch füllen wird. Wie weit werden rechte Kräfte (Positionen und Personen) dort einrücken? Selbst Paris ist davon nicht unberührt. Der innenpolitisch auch angeschlagene Präsident Macron hat nach der Verkündung des Rückzugs von Merkel erstmal ein paar Tage Erholung angekündigt und niemand anders als der unter Anklage stehende Nicolas Sarkozy hat ihn in der öffentlichen Debatte dafür verteidigt.