Portugal gehört nicht mehr zu den Sparmusterschülern in der EU, aber zu den Ländern, in denen Wirtschaft und Soziales rund laufen. Eine linke Regierung macht’s möglich.

Wahlen in Portugal 2019

Links ist die Hoffnung

 

Auf der Höhe der Euro-Krise hatte auch Portugal nach Irland und Griechenland am 7. April 2011 die Europäische Union um Finanzhilfen gebeten. Es wurde ein Paket in Höhe von bis zu 78 Milliarden Euro geschnürt und Portugal am 16. Mai zur Verfügung gestellt. Mit der Bereitstellung wurde ein Paket an Sparmaßnahmen durch die Troika (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) gefordert.

Sparpolitik wird abgewählt

Die Kreditlinien wurden in Tranchen ausgegeben und die Freigabe der jeweils nächsten Tranche an eine Überprüfung der Einhaltung und Umsetzung von teils drastischen Sparmaßnahmen, aber auch Privatisierungsvorgaben durch die Troika gebunden. Die Bewilligung von Geld wurde zu einem politischen Hebel, um neoliberale Reformen durchzusetzen. Kein Wunder, die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik wurde das bestimmende Thema in den folgenden Wahlkämpfen.

In den Wahlen 2011 wurde die sozialistische Regierung unter Leitung von José Socrates abgewählt, weil sie den Troika-Bedingungen zugestimmt haben. Die drei Sparpakete, die die Troika als Gegenmaßnahme einforderte, hatten lang anhaltende Massenproteste bis hin zum Generalstreik ausgelöst. Das vierte Sparpaket scheiterte März 2011 im Parlament und Socrates reichte den Rücktritt ein, blieb aber bis zur Neuwahl im Amt.

Der konservative Pedro Passos Coelho übernahm das Amt des Premierministers und das Sparregiment der Troika aus innerer Überzeugung. 2014 verließ Portugal das Rettungsprogramm, aber mit höheren Staatsschulden als zuvor. Die Zahlen geben für 2011 eine BIP-Verschuldung von 111% an, für das Jahr 2014 eine von 130%. Bilanz einer gescheiterten Politik, aber viele Privatisierungen und Kürzungen in der Sozialpolitik waren umgesetzt. Der neoliberale Schock konnte seine Wirkung entfalten, aber im Falle Portugals ging sie wie in Griechenland nach links in eine offensive Gegenwehr.

Regierungswechsel 2015 durch Einigkeit der Linken

Das Bündnis Portugal à Frente (Vorwärts Portugal) aus den Regierungsparteien Partido Social Democrata (PSD) und Partido do Centro Democrático Social – Partido Popular (CDS-PP) verlor in der Parlamentswahl 2015 in etwa 10% der Stimmen, blieb aber mit 36,8%, stärkste Kraft. Die Partido Socialista (PS) bekam mit 32,3% einen Zugewinn von knapp 4,3%. Der Bloco de Esquerda (BE) konnte sein Ergebnis zu 2011 verdoppeln und kam auf 10%. Die Coligação Democrática Unitária (CDU), ein Bündnis aus traditionellen Kommunisten, Grünen einer weiteren linken Partei, Intervenção Democrática, blieb mit 8,3% in etwa stabil mit Blick auf 2011. Die Wahlbeteiligung lag bei 57%.

Dem Sozialisten António Costa ist das große politische Kunststück gelungen, mit Bloco und CDU ein Regierungsbündnis zu bilden. Dies hatte vorher als extrem unwahrscheinlich gegolten, da die Linke auch in Portugal sehr stark zerstritten war. Sicherlich sind nicht alle Meinungsunterschiede in der Linken verschwunden. Eine solche Annahme wäre naiv. Aber sie tragen eine gemeinsame politische Linie.

Im Kurs ist die Linksregierung von der Sparpolitik abgerückt, die den Menschen die Luft abgeschnürt hat und den Staatsschuldenstand erhöht. Gehalts- und Pensionskürzungen wurden zurückgenommen, der Mindestlohn angehoben und vier gestrichene Feiertage wieder eingeführt. Ein Misstrauensvotum von Portugal à Frente gegen die Minderheitenregierung scheiterte, das Wahlbündnis wurde daraufhin beendet.

Costa sagte, es ist ein Fehler, die Wirtschaft mit Kürzungen der Löhne und exzessiven Einschnitten in der Sozialpolitik sanieren zu wollen. Beide Maßnahmen führten zum Gegenteil dessen, was als Zielmarge angestrebt wurde. Also hat er die entgegengesetzten Maßnahmen ergriffen. Der konservative Präsident Portugals warnte vor dem Linksruck und einer drohenden Gefahr für die nationale Sicherheit. Auch der damalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hob damals im Finanzministerium mahnend den Finger. Er nannte das Vorgehen einen schweren Fehler.

Wachstumsmotor: linke Politik

Heute sieht man, Schäuble lag auch hier falsch, es war kein Fehler. Costas linke Politik zeigt große Erfolge. Er hat den Sozialstaat gestärkt, Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Euro auf die nächsten zehn Jahre angeschoben, 60% sollen in die Erneuerung des Öffentlichen Verkehrs fließen. Auch die Felder Umwelt und Energie stehen im Fokus einer nachhaltigen sozial-ökologischen Politik. Die Erbschafts- und Vermögenssteuer auf Immobilien wurden erhöht, die Grenzen der Besteuerung wurden so gewählt, das „Normalverdienende“ mit einem selbst genutzten Haus davon nicht betroffen sind.

Die Mehrwertsteuer von 23% auf 13% gesenkt. Es wurde kein öffentliches Eigentum mehr an kapitalistische Investoren verkauft, die sich auf Kosten des Gemeinwohls die Taschen vollgestopft haben, wie es die Troika wiederholt in ihren „Sparauflagen“ verlangt hatte. Die Arbeitslosenzahlen sanken von gut 17% auf knapp 7% im Jahr 2018. Auch hierdurch wurden die Staatskassen entlastet. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 17% immer noch hoch, aber auch gesunken. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt und junge Portugiesinnen und Portugiesen kommen wieder zurück in ihr Land, das sie in Zeiten von Sparpolitik und Rezession verlassen hatten. Das Sparprogramm der Troika hatte die größte Auswanderung in Portugal seit dem Ende der Diktatur 1974 ausgelöst.

Aufschwung der Linken

Durch die Maßnahmen wurde Nachfrageimpulse gesetzt, die Staatseinnahmen sind durch die sich belebende Wirtschaft gestiegen. Vier Jahre Wachstum wurden verzeichnet und die portugiesische Regierung hat 2018 Schritte unternommen, die Hilfsgelder der Troika früher als geplant zurückzuzahlen. Portugal gehört nicht mehr zu den Sparmusterschülern in der EU, aber zu den Ländern, in denen die Wirtschaft rund läuft. Die Tourismusbranche hält einen Anteil von 10% der Wirtschaftsleistung. Portugal hat sich dem chinesischen Projekt einer neuen Seidenstraße angeschlossen.

Das Abrücken vom politisch aufgedrückten Sparkurs der Troika und das gemeinsame Auftreten der Linken spiegeln sich seit längerem in den Umfragewerten wider. Die Partido Socialista steht bei 40%, die Partido Social Democrata bei 25%. Der Bloco steht bei knapp 8% und die CDU bei 7%. Nach jetzigen Umfragen kann das regierende Linksbündnis seine Arbeit auch nach der Neuwahl im Herbst fortführen. Das Zusammenstehen hat sich gelohnt und die Arbeit von Antonio Costa und der portugiesischen Linken ist eine Hoffnung für linke Politik in Europa.

Es lohnt sich, die gemeinsamen politischen Ziele herauszuarbeiten und nicht die gegensätzlichen und trennenden in die erste Linie zu stellen. Davon kann und sollte gerade auch die politische Linke in Deutschland lernen.

Erfolgreiche linke Politik marginalisiert die Rechte

Anders als in Spanien und Italien ist in der Krise und den Zeiten der Sparpolitik durch die Troika in Portugal keine neue Partei wie Podemos oder Cinque Stelle entstanden. Die etablierten Parteien konnten die unterschiedlichen politischen Stimmungen abbilden und auffangen. Als ein weiterer Effekt einer gemeinsamen erfolgreichen linken Politik gibt es keine nationalreaktionären und rechtspopulistischen Kräfte in Portugal. Am weitesten Rechtsaußen ist die Partido do Centro Democrático Social – Partido Popular (CDS-PP), die der katholischen Kirche nahesteht. Sie stimmte 1975 als einzige im Parlament vertretene Partei gegen die neue Verfassung, weil sie ihr zu kommunistisch war. Nach dem Zerfall von Frente à Portugal steht die CDS-PP bei 7%.