Das Kapital hat anscheinend erkannt, dass sich die nächste Wachstumsphase in einem globalisierten grünen Markt abspielen wird.
»Green Deal«
Der Kapitalismus wird Grün
Am 1. November 2019 hat die ehemalige Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde das Amt der Präsidentin der Europäischen Zentralbank übernommen. Vor der Zentrale in Frankfurt haben unter anderem attac und extinction rebellion eine sozialökologische Ausrichtung der neuen Bankenpolitik gefordert. In der Amtszeit von Mario Draghi waren Ökologie und Klimaschutz nur Fußnoten in der Europäischen Zentralbank. Nun sollen ab Januar 2020 Klimawandel und Umweltschutz in den Mittelpunkt rücken, »Green Money« ist das neue Schlagwort. Die Kritik der erneuten Mandatsüberschreitung durch die EZB und der Vorwurf eines Tabu-Bruchs kamen postwendend und der Hinweis, man möge sich auf das 2% Ziel der Inflation konzentrieren.
Das Europäische Parlament (EP) hat am 28. November vor der UN-Klimakonferenz COP 25 in Madrid vom 2. bis 13. Dezember eine Resolution verabschiedet, mit der es den Klima- und Umweltnotstand ausgerufen hat. Es fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass zukünftig alle relevanten Gesetzes- und Haushaltsvorschläge vollständig mit dem Ziel übereinstimmen, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Nach den dürftigen Ergebnissen der COP25 Konferenz dürften die Erwartungen an die Europäische Union und ihre Klimaschutzpolitik nun noch einmal steigen. In einer weiteren Entschließung hat das Parlament die EU-Kommission aufgefordert, im Rahmen des UN-Klimaabkommens eine Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels vorzulegen. Die Kommission soll einen Plan vorlegen, wie die EU bis spätestens 2050 klimaneutral ist. Das Parlament erwartet von der neuen Präsidentin Ursula von der Leyen, eine Vorgabe von 55% Emissionsreduzierung bis 2030 in ihr Klimaprogramm aufzunehmen.
Diesen Plan hat Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 als einen Europäischen Grünen Deal präsentiert, die Forderung des Parlaments ist als Zwischenetappe darin enthalten, als Fernziel soll die Europäische Union bis 2050 CO2 neutral sein. Es heißt in dem Papier: Der Grüne Deal ist „eine neue Wachstumsstrategie, mit der die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, in der im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist.“ [Quelle] Soweit die öffentlich breit aufgenommene Anfangserklärung, die in den nächsten Jahren untersetzt werden soll.
CO2-Neutralität als Investitions- und Wachstumsmarkt
Knapp 50 Einzelprojekte sind in Vorbereitung und sollen im kommenden Jahr vorgestellt werden. Im Januar 2020 soll ein neuer Mechanismus und ein nachhaltiger Investitionsplan für Europa vorgelegt werden. Im März 2020 wird ein Klimaschutzgesetz erwartet, in dem die Klimaneutralität bis 2050 festgeschrieben werden soll. Aber durch die Festlegung eines CO2-Preises wird aus der bislang faktisch hingenommenen Umweltverschmutzung ein Emissions-, ein Verschmutzungsrecht, für das man ja bezahlt hat. Ebenfalls soll im März ein europäischer Klima-Pakt gestartet werden und künftige Prioritäten für eine langfristig angelegte Strategie der Klimaneutralität, höherer Umweltstandards und des Wachstums gesetzt. Auch noch im Frühjahr sollen eine Biodiversitätsstrategie, ein Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft, eine EU-Industriestrategie und eine »Farm-to-Fork-Strategie« (Vom Produzenten zum Konsumenten Strategie) veröffentlicht werden. Auch ein Fond für einen sozialverträglichen Übergang ist immerhin versprochen.
Das Kapital hat anscheinend erkannt, dass sich die nächste Wachstumsphase seines Wohlstands in einem globalisierten und europäisierten grünen Markt abspielen wird. Dafür soll unter anderem die Europäische Investitionsbank (EIB) in eine grüne Klimabank umgebaut werden, eine Debatte, die in Frankreich schon seit Februar prominent diskutiert wurde. Vor zehn Jahren gab die EIB die weltweit erste Klimaschutzanleihe heraus und legte den Grundstein für den Markt für grüne Anleihen. Heute fließen mindestens 25 Prozent ihrer Finanzierungen in Projekte gegen den Klimawandel. Die EIB hat im Bereich Klimaschutzfinanzierung den größten Anteil unter den multilateralen Geldgebern. Insgesamt sollen für den Green Deal bis zu 1 Billion Euro im Kampf gegen den Klimawandel aufgestellt werden, das ist aus Sicht der Kommissionspräsidentin so ambitioniert wie der US-Plan in den 1960ern, einen »Mann auf den Mond« zu schicken.
Ein starker sozialer Ausgleich ist nötig
Der Kommissionsmitteilung zufolge sollen alle zukünftigen Aktionen und Politiken der EU zu den beiden Zielsetzungen »CO2-Reduzierung bis 2030« und »CO2-Neutralität bis 2050« beitragen. Der Europäische Rat (ER) sprach sich am 12. Dezember 2019 für Klimaneutralität in der EU bis 2050 aus. In der Kommission wird der Niederländer Frans Timmermanns (Europäische Sozialdemokratie), der ebenfalls als Präsident im Gespräch war, mit dieser Aufgabe betraut. Er wies darauf hin, dass für die Umsetzung dieser Pläne ein jährliches zusätzliches Investitionsvolumen in Höhe von rund 260 Mrd. Euro benötigt würde. In diesem Zusammenhang wurden Vorbehalte geäußert, den Green Deal durch die Notenpresse zu finanzieren, die Unabhängigkeit der EZB würde durch die Verpflichtung auf den Green Deal gefährdet.
Im EP wird in der Woche vom 13. bis 16. Januar 2020 eine neue Debatte hierüber aufgesetzt und eine Entschließung verabschiedet. Aus den Mitgliedsstaaten ist zu hören, dass Polen (80%) und Tschechien (43%) nicht zuletzt wegen der hohen fossilen Energiequote seine Zustimmung verweigert hat. Frankreich will die Gewinnung von Strom aus Atomkraft als CO2-arme Energie im Sinne des Green Deal ausweisen lassen. Die Zielsetzung hierfür soll auf dem Europäischen Rat im Juni 2020 einstimmig beschlossen werden. Auch in Deutschland drückt die Atomlobby erneut auf einen Einsatz von Kernenergie zur Stromgewinnung. Umfängliche Legislativverfahren werden spätestens für 2021 erwartet.
Hierdurch werden EU-weit gravierende Mehrausgaben für die Bürgerin und den Bürger beschlossen, die die Portemonnaies zunächst ohne erkennbaren Gegenwert belasten werden. Dann wird sich zeigen, wie groß die reale Bereitschaft zum Klimaschutz ist und ob es neben Fridays for Future und extinction rebellion zu weiteren Protesten kommt wie in Frankreich z.B. bei den Gelbwesten. DIE LINKE im Bundestag hat mit dem Projekt »Plan B« eine klare Vorstellung für einen sozial-ökologischen Umbau formuliert. Die soziale Dimension kommt in dem durchaus ambitionierten »Green Deal« von EZB und Kommission erheblich zu kurz. Er ist aus einer kritischen Perspektive eine Form von neoliberaler Transformationsstrategie. Klimarettung wird nicht gehen, ohne grundlegend Abschied von dem wirtschaftspolitischen Ziel des ungebrochenen Wachstums an sich zu nehmen.
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