Die Wahlgänge in diesem Jahr wurden durchweg instrumentalisiert, um persönliche Karriereansprüche bei der Bundestagswahl 2021 zu untersetzen.

Kommunalwahlen 2020

Das Kanzleramt im Blick

 

Mit einem Rückblick auf die Wahlen 2020 in der Bundesrepublik Deutschland wurde zunächst am 23. Februar in Hamburg die Bürgerschaft neu gewählt. Eigentlich eine Kommunalwahl, aber durch den Status als Stadtstaat ebenso eine Landtagswahl. Dort wurden der amtierende SPD-Bürgermeister und die Rot-Grüne Landesregierung bestätigt. Die SPD verlor 6,4%, blieb aber mit 39,2% stärkste Kraft im Parlament. Die Grünen liefen mit 24,2% ein und hatten einen Zugewinn von 11,9%. DIE LINKE bekam 9,1%. Teilweise wurde spekuliert, ob die Grünen vor der SPD einlaufen. Doch es kam anders, der Wahlsieg der SPD in Hamburg wurde zu einer Hilfe für die Ambitionen von Olaf Scholz zur Spitzenkandidatur.

In Bayern fanden am 15. März, zum Beginn der Corona-Pandemie, Kommunalwahlen statt, der zweite Wahlgang am 29. März wurde ausschließlich per Briefwahl abgewickelt. Ministerpräsident Markus Söder hatte im Wahlkampf die Grünen als Hauptkonkurrenz gesetzt. Entgegen anfänglichen Spekulationen über sehr hohe Gewinne für die Grünen und ein mäßiges Abschneiden der CSU hat die Union sich in den Stichwahlen oftmals durchgesetzt. Dies war sicherlich auch der Corona-Pandemie geschuldet. Aber die SPD hat z.B. in München das Bürgermeisteramt mit über 70% verteidigt. Auch die Grünen haben an einzelnen Orten über 40% geholt und landesweit einen durchschnittlichen Zuwachs mit Blick auf 2014 um 7,3% auf 17,5% bekommen. DIE LINKE bekam 1,7%. Dennoch markiert die Kommunalwahl eine Stufe auf dem Weg von Söder zur Kanzlerkandidatur.

An Rhein und Ruhr wird´s wieder Grün

Am vergangenen Sonntag, 13. September, waren in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen angesetzt. Sie fanden unter besonderen Corona-Vorkehrungen statt. In allen Wahllokalen war Maskenpflicht vorgeschrieben und 1,5 Meter Mindestabstand. Wähler*innen wurden gebeten, zum Ankreuzen ihren eigenen Kugelschreiber mitzubringen. Wenn bei einer Wahlbeteiligung von gut 50% von langen Wartezeiten berichtet wurde, lag dies an der geringeren Zahl der Wahllokale, viele der üblichen Wahllokale boten in Zeiten der Corona-Pandemie nicht genügend Platz.

In der ehemaligen Herzkammer der Sozialdemokratie ging es nicht um das Duell CDU gegen SPD, zwei andere Aspekte standen im Vordergrund der bundespolitischen Aufmerksamkeit. Das Abschneiden der CDU in der Kommunalwahl wurde als Stimmungstest für die Politik von Ministerpräsident Armin Laschet stilisiert. So verwundert es nicht, das Laschet selber im Ergebnis eine Unterstützung für seine Kandidatur zum Parteivorsitzenden entdeckt. Das zweite Augenmerk galt dem Abschneiden der Grünen. Nach dem Ende der asymmetrischen Demobilisierung konzipiert die Union den Wahlkampf zum 20. Bundestag als eine Hauptkonkurrenz zwischen CDU/CSU und Grünen. Nicht zuletzt aus diesem Grund führt die Union den Parteitag in Stuttgart durch, am 14. März 2021 geht es bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg das dritte Mal hintereinander um die Frage »Grün vor Schwarz?«.

Aber ein differenzierter Blick zeigt: nicht nur die SPD hat über 7%, sondern auch die Union mit Laschet als Ministerpräsident hat über 3% verloren. Die Grünen haben über 8% hinzugewonnen und stehen jetzt bei 20%. Aber im Ruhrparlament, der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr, das erstmals direkt gewählt wurde, ist die SPD mit 29,4% vor der CDU mit 27,2% eingelaufen. Die Grünen haben auch hier 20,3% bekommen, Die Linke erzielte 4,1% und damit ein besseres Ergebnis als im Durchschnitt der Kommunalwahl mit 3,8%.

Vier Amtszeiten und eine gespaltene Partei

Das NRW-Kommunalwahlergebnis ist kein klares Signal, dass Laschet auf dem Bundesparteitag mehr Stimmen bekommt als Friedrich Merz, der in der Stichwahl im Dezember 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer auf über 48% kam. Es war das erste Mal in der Geschichte der Union, dass überhaupt eine Stichwahl für den Vorsitz aufgerufen werden musste. Zugespitzt könnte man formulieren, Merz startet auf dem Dezember-Parteitag bei 48%, ob Laschet im Verbund mit Spahn das knapp 52%-Ergebnis der gescheiterten Kramp-Karrenbauer einfahren kann, ist offen. Die Kanzlerin ist nur in einem Punkt eindeutig, sie will den zur AfD schielenden Merz als Kanzlerkandidaten verhindern. Weil sie ihm reale Chancen einräumt, hat Merkel am 15. Juli Söder in Bayern aufwändig hofiert.

Merkel hat mit der Unterstützung von Kramp-Karrenbauer ihr stärkstes Ass bereits verspielt, sie kann diesen Vorgang nicht wiederholen. Immerhin sichert ihr das Scheitern von Kramp-Karrenbauer die volle vierte Amtszeit und das ist angesichts der damaligen Stimmungslage in der Union bei Umfragewerten von 25% ein gewaltiger Erfolg. Dadurch kann sie nun am Ende ihrer Amtszeit mit Altkanzler Helmut Kohl (CDU) gleichziehen und zeigen, der Pfälzer hat mit der Patronage von seinem »Mädchen« für die Union ein kluges Personalmanagement geleistet. »Entscheidend ist, was hinten rauskommt.«

Rückblickend wurden die Wahlgänge in diesem Jahr bei aller Unterschiedlichkeit der Ergebnisse durchweg instrumentalisiert, um persönliche Karriereansprüche bei der Bundestagswahl 2021 zu untersetzen. Die SPD hat nach einer strittigen Diskussion darüber, ob sie bei Umfragewerten von 15% überhaupt noch einen Kanzlerkandidaten ausrufen sollte, am 10. August einen Spitzenkandidaten nominiert. Aber im Vergleich zur letzten Wahl 2017 wurde mit der Benennung von Olaf Scholz kein »Zug« oder gar ein »Hype« ausgelöst. Im Unterschied zum aus dem EU-Parlament kommenden Schulz erinnern sich noch viele an die Beiträge von Scholz zur Agenda-Politik der Schröder-Fischer-Regierung seit 2002. Für den Wahl-Potsdamer Scholz wird das schlechte Ergebnis der NRW-Wahl nun eine Belastung, in der Konsequenz fällt der Blick auf eine Wahl am 26. März 2017.

An diesem Tag war die SPD im Saarland mit 30% aus der Landtagswahl hervorgegangen, das Ergebnis von 2012 betrug immerhin 30,6%. Ein Minus von 0,6% ist keine nennenswerte Niederlage, aber im Überschwang der Hybris um den Martin-Hype wurde die SPD nicht stärkste Kraft. Die damals amtierende Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer wurde bestätigt und wechselte als Lohn für das Ausbremsen des Schulz-Zugs im Februar 2018 in die Bundesgeschäftsstelle der CDU nach Berlin, um den erfolglosen Peter Tauber im Amt der Generalsekretärin abzulösen. Auf dem Dezember-Parteitag löste sie Angela Merkel ab, die seit 2000 den Vorsitz innehatte.

Ein kometenhafter Aufstieg, der seinen Zenit bereits im Februar 2020 mit dem Rückzug von Parteivorsitz und Anspruch auf eine Kanzlerinnenkandidatur überschritten und die CDU erneut in ihre jetzige zerstrittene Lage geführt hat. Ein erneut knappes Ergebnis für den Vorsitz im Dezember 2020 wird im Januar 2021 keine geschlossene Partei zum Resultat haben. Die Grünen stehen hingegen ungewöhnlich geschlossen da und werden die Frage der Spitzenkandidatur erst im späten Frühjahr 2021 nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz entscheiden.