Am vergangenen Sonntag haben die Republikaner in Frankreich, die in der Tradition der Partei von Charles de Gaulle stehen, ihren ersten Wahlgang zur Vorauswahl des Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im April und Mai 2017 durchgeführt. Im Ergebnis ist entgegen fast aller Prognosen der frühere Ministerpräsident von Nikolas Sarkozy, Francois Fillon, mit 44,2% auf dem ersten Platz eingelaufen.
Alain Juppé, in der Mitte der 1990er Jahre Ministerpräsident unter Jacques Chirac, landete mit klarem Abstand bei gut 28,5% auf dem zweiten Platz. Davon noch einmal klar abgeschlagen landete Nikolas Sarkozy, der Vorgänger von Francois Hollande mit 20,6% auf dem dritten Platz. Die übrigen vier Bewerbenden blieben jeweils unter drei Prozent, auch Jungstar Bruno le Maire hat sich für die Unterstützung von Fillon ausgesprochen.
Noch vor dem vorläufigen Endergebnis trat Nikolas Sarkozy vor die Presse und räumte seine Niederlage ein. Er erklärte wieder einmal seinen Rückzug aus der Politik und erklärte, im zweiten Wahlgang für seinen ehemaligen Mitarbeiter Fillon zu stimmen. Auch le Maire erklärte seine Unterstützung für den konservativ-liberalen Francois Fillon. Damit scheint Fillon der Favorit im zweiten Wahlgang zu sein, wenn die WählerInnen von Sarkozy und le Maire ebenfalls für Fillon entscheiden.
Aber so einfach scheint es nicht zu werden. Denn die Vorwahlen waren für Nichtmitglieder offen und im ersten Wahlgang haben sich auch eine Menge linker WählerInnen beteiligt, die Sarkozy als Kandidat verhindern wollten. Alain Juppé setzt in der entscheidenden Woche darauf, die politische Gemeinsamkeit von Fillon und Sarkozy herzustellen. Ein Blick in das politische Profil von Fillon zeigt einen erzkonservativen, aber neoliberalen Hardliner, der sich hauptsächlich durch einen ruhigen gutbürgerlichen Ton von Sarkozy unterscheidet. 2010 musste er zugeben, auf Kosten von Diktator Hosni Mubarak im Luxusurlaub in Ägypten gewesen zu sein.
In der zweiten Überlegung steht der Gedanke, dass Francois Fillon durch seine wirtschaftlich neoliberale, aber gesellschaftspolitisch reaktionäre Politik von PS-Wählern im zweiten Gang der Präsidentschaftswahl im Mai 2017 nicht so gut wählbar wäre. Er wird in Frankreich mit Maggie Thatcher verglichen, die Zeitung La Liberation hat Fillon auf dem Titelbild mit ihrer Frisur abgebildet.
Für den Fall seiner Wahl will er in den kommenden fünf Jahren den Staatshaushalt um 100 Milliarden Euro senken, die Lebensarbeitszeit verlängern, die Wochenarbeitszeit von 35 auf 39 Stunden erhöhen und eine halbe Millionen Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Fillon tritt gegen die »Ehe für Alle« ein, will Homosexuellen das Recht auf Adoption nehmen und die Leihmutterschaft nur heterosexuellen Paaren erlauben. Er ist gegen Abtreibung und plädiert für einen politischen Katholizismus. In seinem Buch »Vaincre le totalitarisme islamique« will er den islamischen Totalitarismus besiegen.
Im zweiten Wahlgang der Präsidentschaft wäre Alain Juppé hingegen schon eher für traditionell linke WählerInnen vorstellbar. Allerdings ist auch er kein unbeschriebenes Blatt. Juppé wurde Ende der neunziger Jahre wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt und verlor zwei Jahre das passive Wahlrecht, die er in Kanada verbrachte. Beide Kandidaten sind aus Sicht des
Front National Vertreter des Establishments und können sich gegen den Vorwurf der Korruption nicht wehren.
Und so debattiert Frankreich bis Sonntag lebendig darüber, wer die besseren Chancen gegen Marine le Pen im zweiten Wahlgang hätte. Allerdings zielen beide Vorschläge auch auf unterschiedliche Gruppen. Derweil die AnhängerInnen Juppés eher auf PS-WählerInnen schauen, die im zweiten Wahlgang keinen eigenen Kandidaten mehr haben, schauen die Pro-Fillon Leute eher auf die Gruppe derjenigen, die zu le Pen tendieren. Es ist also noch nicht ausgemacht, wer sich im zweiten Wahlgang am Sonntag durchsetzt, wenngleich der Vorteil für Fillon nicht von der Hand zu weisen ist.
In dieser Wahl dominieren innenpolitische Themen. Neben der wirtschaftlichen Malaise, der finanziellen Schwierigkeiten und der politisch-kulturellen Polarisierung steht Frankreich immer noch unter Ausnahmezustand in Folge der Terrorakte in Paris und Nizza. Aufrüstung, innere Sicherheit und der Anti-Terrorkampf stehen oben auf der Agenda. Hier will er mit Russland und Iran zusammenarbeiten.
Der Terrorismus hat das Land, das seit Ausbruch der Finanz- und Währungskrise stark getroffen ist und das nördlichste Land des Europäischen Südens bildet, in ein zusätzliches Trauma gestürzt. Es summiert sich mit dem schon länger andauernden Absinken der Grande Nation, die doch einmal eine koloniale Weltmacht war, zur zweitgrößten Volkswirtschaft in der Europäischen Union. Es ist ein Gemisch, in dem eine Kampagne »Wieder Groß machen « bei der Mehrheit der WählerInnen greifen könnte. Die Ablehnung des Euro als Gemeinschaftswährung ist darin lediglich ein Punkt.
Für gewöhnlich ist der amtierende Präsident der gesetzte Kandidat. Aber auch die Parti Socialiste wird Ende Januar 2017 Vorwahlen durchführen, zehn Kandidaten stehen momentan Schlange. Dies ist eine Demütigung eines amtierenden Präsidenten, die es in der Geschichte der V. Republik noch nicht gegeben hat. Die französische Linke kommt nach Jahren des erbitterten Streits in die Gefahr, am Ende des Wahljahres 2017 wie die Linke in Polen marginalisiert zu sein. Das sollte DIE LINKE bei ihrem Wahlantritt und den bis dahin zu beantwortenden Fragen stark beherzigen.
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