Es mag mit dem Januar ein neues Jahr heraufgezogen sein, aber dies betrifft bloß die numerische Zählung. Die politische Agenda steht im Fortlauf der vorhergehenden, denn am 29. Dezember 2014 verfehlte der griechische Präsident Dimas auch im dritten Wahlgang die notwendige Mehrheit. Die daraus durch die Verfassung vorgeschriebene Neuwahl des griechischen Parlaments wurde auf den 25. Januar gelegt.
Erst vor eineinhalb Jahren, am 17. Juni 2012 wurde eine erneute Neuwahl durchgeführt, nachdem die erste Neuwahl am 6. Mai zu keiner Regierungsmehrheit geführt hatte. Dem Bündnis Syriza werden in der Wahl am 25. Januar reale Chancen für eine Mehrheit eingeräumt. Dessen Vorsitzender, Alexis Tsipras, will die Sparbedingungen der Troika erneut verhandeln und einen Schuldenschnitt durchsetzen. Aber die Wahlen im »Programmland« Griechenland sind nur der Auftakt in das europäische Wahljahr 2015, das Ergebnis wird Folgen für sämtliche weitere Wahlen haben.
Gerade ist in Italien der 89-jährige Giorgio Napolitano vom Präsidentenamt zurückgetreten. Spätestens 15 Tage nach dem Rücktritt des Präsidenten (29. Januar) muss die Wahlversammlung zur Wahl eines neuen Staatschefs zusammenkommen. Dies wird die Nagelprobe für Ministerpräsident Renzi, er muss zeigen, ob er auch ohne Hintermann bestehen kann. Findet die Versammlung keine Mehrheit, wird das italienische Parlament aufgelöst und neu gewählt. Im Vergleich zur italienischen Parteienlandschaft erscheint die griechische als gut strukturiert. Dort könnte Syriza gewinnen, hier weiß man nicht, wie es ausgehen könnte.
In Finnland stehen am 19. April reguläre Wahlen an, die letzten waren am 17. April 2011 und hatten zu einem Überraschungsergebnis für die Wahren Finnen geführt, im Rückblick auf die Wahl von 2007 hatten sie ihr Ergebnis vervierfacht. Die Basisfinnen sehen den Euro und die EU-Finanzstruktur kritisch („Die finnische Kuh muss in Finnland gemolken werden“).
Im Vereinigten Königreich stehen am 7. Mai Unterhauswahlen an (letzte reguläre am 6. Mai 2010), es ist nicht ausgemacht, ob der konservative David Cameron wiedergewählt wird. Die United Kingdom Independent Partei UKIP steht in Umfragewerten vorne, sie will das Königreich aus der EU herausführen. Die weitere EU-Politik Großbritanniens wird über dieses Ergebnis stark beeinflusst werden und auch die politische Stimmung in der EU.
In Dänemark steht im Herbst die wohl unproblematischste Wahl des Jahres in der EU zum 68. Folketing an, die letzten regulären waren im September 2011.
Das »Programmland« Portugal wird voraussichtlich im Oktober ein neues Parlament wählen (am 5. Juni 2011 wurden vorgezogene Neuwahlen wegen der gescheiterten Sparpolitik durchgeführt). Portugal hatte 78 Milliarden Euro in der Krise bewilligt bekommen und gilt als Vorzeigeland der Sparpolitik, dennoch sind es genau die sozialen Folgen dieser Politik, die den Zeiger in Richtung Regierungswechsel gestellt haben. Auch wenn der Sparhaushalt 2015 in Portugal so undramatisch ausfällt, wie nie seit dem Gang unter den Rettungsschirm, die konservative Partei mit Präsident Coelho ist aus dem Tritt. Er nannte die strikte Einhaltung der zwei Sparvorgaben einen „gewissen budgetären Fanatismus“, trotzdem sind die vormals abgewählten Sozialisten wegen ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Austeritätspolitik auf dem Vormarsch.
Die Republik Polen wählt im Herbst Sejm und Senat neu, die letzten regulären Wahlen waren am 9. Oktober 2011. Präsident Bronislaw Komorowski hatte bereits 2013 in abweichender Meinung zum damaligen Regierungschef Tusk angekündigt, erst nach dieser Wahl eine Diskussion über den Beitritt Polens zum Euro-Raum zu entscheiden. Aus Komorowskis Sicht stehen die Konsolidierung der Wirtschaft und das Einhalten der Maastricht-Kriterien vorher auf der Haushaltsagenda, um einen neoliberalen Anpassungsschock zu vermeiden. Auch in Polen wächst die EU-Skepsis, die 2001 von den Zwillingsbrüdern Kaczyński gegründete Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) hat Aufwind. Doch die politische Situation in Polen ist derzeit durch die Außengrenze zur Ukraine geprägt und die Frage der NATO-Strategie gegenüber Russland (Stationierung von Truppen und Atomraketen).
In Spanien wird im Spätherbst gewählt, am 20. November 2011 kam es nach lang anhaltenden Protesten, nicht zuletzt durch die Protestbewegung Movimento 15M zu vorgezogenen Neuwahlen. Durch die Finanzkrise von 2008 ist in Spanien mit besonderer Wucht eine Immobilienblase geplatzt, die zu einer sehr hohen Zahl von Hausräumungen und Selbstmorden geführt hatte. Der Bankenkrise begegnete die spanische Regierung im Juni 2012 mit einem Hilfsantrag, sie hat insgesamt 42,4 Milliarden Euro bekommen ohne die bis dahin übliche Prozedur, dass das Land als Ganzes nach einer Troika-Intervention unter den Rettungsschirm musste.
Spanien galt wie Portugal als Vorzeigeland für die gelungene Krisenpolitik der EU, die Realität sieht anders aus: Neuverschuldung, einige Regionen und Kommunen können den Schuldendienst nicht mehr begleichen. Dazu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, besonders bei Jugendlichen, die soziale Frage ist durch die Spar- und Kürzungspolitik zusätzlich aufgeheizt. Ein neues Insolvenzrecht, mit dem Hypothekenschuldner nicht mehr aus ihren Häusern zwangsgeräumt werden können, schafft in der politischen Stimmung der Bevölkerung kaum Abhilfe, in der Bewertung durch die Investoren kommt es einer Enteignung gleich.
Die jetzige konservative Regierung unter Mariano Rajoy, aber auch die sozialistische Oppositionspartei sind in viele Korruptionsskandale verwickelt, in denen fast täglich neue Details enthüllt werden. Aus der Bewegung 15M ist die Partei Podemos (Dt: Wir können) hervorgegangen. Sie hat bei der EP-Wahl im Mai 2014 aus dem Stand 8 Prozent bekommen und das politische Klima beschert ihr eine hohe Wachstumsrate.
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