Das Parteienbündnis Syriza hat die Wahl vom vergangenen Sonntag mit 36,3% gewonnen und bekommt den Siegerbonus von 50 Mandaten, braucht aber mit 149 (von 300) Sitzen einen Koalitionspartner. Es verdankt den Sieg der Wut und der Empörung über die Austeritäts- und Sparpolitik der Troika aus Europäischer Kommission, EZB und IWF, mit der der griechischen Regierung durchzuführende »Reformen« vorgeschrieben werden. Der Wahlsieg ist Dokument einer politischen Position gegen diese Politik. Im Vergleich zur vorhergehenden Wahl 2012 hat Syriza ein Plus von 9,4 % bekommen, die Nea Dimokratia (ND), regierungsleitende Partei unter Samaras, hat auf die Juni-Wahl 2012 bezogen aber nur 1,9% verloren. Das konservativ-bürgerliche Spektrum hat stabil gewählt. Aber auch ohne Bonus ist das Sitzverhältnis Syriza (99) zu ND (76) immerhin noch Vier zu Drei.

Die starke Abwanderung hat bei der Panellinio Sosialistiko Kinima, der sozialdemokratischen Pasok stattgefunden, mit Blick auf 2012 verliert sie 7,6% und hat noch 4,7%. Im Jahr 2009, vor der Krise, kam sie auf 44%. Sie hat in fünf Jahren 40% verloren. Der damalige Regierungschef Giorgos Papandreou hat das Land unter den Rettungsschirm gebracht und wurde 2011 durch die Einsetzung der technischen Regierung Papadimos gestürzt, nachdem er eine Volksbefragung über die Troika-Bedingungen der Sparpolitik angekündigt hatte. Er hat sich nun dafür gerächt, indem er drei Wochen vor der Wahl die von seinem Vater gegründete Pasok durch eine Parteineugründung (Kinima Dimokraton Sosialiston) obendrein spaltete, die mit 2,44% an der 3% Hürde scheiterte.

Die stalinistische Partei KKE hat es abgelehnt, in eine Koalition mit Syriza einzutreten. Nun ist Anexartite Ellines (Anel oder AE) Koalitionspartnerin, sie wurde erst März 2012 von Panos Kammenos in Distimo gegründet, in dem die Waffen-SS 1944 ein Massaker verübt hat. Kammenos war zuvor ND-Mitglied und hat in einer Vertrauensabstimmung gegen die technische Regierung von Papadimos gestimmt. Bei der Wahl im Mai 2012 bekam die AE 10,6%, in der Juni-Neuwahl nach der gescheiterten Regierungsbildung 7,5%, am Sonntag noch 4,7%. Sie will die nationale Souveränität schützen, die Vereinbarungen mit der Troika kündigen, fährt einen harten Kurs gegen Asylsuchende und fordert von der deutschen Regierung Reparationszahlungen aus dem II. Weltkrieg. Die Gemeinsamkeit beider Parteien beschränkt sich auf die strikte Ablehnung des Spardiktats, innenpolitisch sind sie stark gegensätzlich aufgestellt.

Die Quelle der Erosion besteht in den Erfahrungen, dass die durchgedrückten Kürzungen und Einschnitte der letzten fünf Jahre für Viele nichts gebracht haben. Die Wirtschaft ist weiter abgestürzt. Die Arbeitslosenquote ist hoch. Es gab keine Erneuerung in Staat und Verwaltung. Der Gesamtschuldenstand ist während der Zeit der »Rettungspolitik« von 130 % im Jahr 2009 auf 175% im Jahr 2014 gestiegen. Die Einkommen sind seit 2009 durchschnittlich um fast ein Drittel gesunken. Ein als Erfolg verkaufter kleiner Überschuss im Staatshaushalt 2014 sagt nichts über die soziale und wirtschaftliche Lage der Gesamtheit der Wahlberechtigten. Die Troika hat niemals über die politischen Folgen großflächiger sozialer und ökonomischer Verarmung von Wahlberechtigen nachgedacht, sondern auf den Stand der Aktienkurse und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien gestarrt.

Das Wahlergebnis ist auch eine Abrechnung mit der Politik der Bundeskanzlerin. Merkel gratulierte Tsipras erst am Dienstag zur Wahl. Hollande begrüßte den neuen Kurs umgehend, durch die weiteren Wahlen im Jahr 2015, insbesondere Portugal und Spanien kann Frankreich seine Politik gegen den Sparkurs verstärken. Die Bundeskanzlerin kann sich kaum mehr gegen die politische Lageeinschätzung der Südländer durchsetzen. Die EU-Kommission hat den Stabilitätspakt vor zwei Wochen flexibler ausgelegt, als dies die Bundesregierung wollte. Auch das deutsche Mitglied im EZB-Vorstand, Jens Weidmann, konnte sich nicht durchsetzen. Das Programm der Quantitativen Lockerung (QL) wird aufgelegt.

Der EZB-Rat hat unter Leitung von Mario Draghi beschlossen, in den nächsten 19 Monaten für 1,14 Billionen € Staatsanleihen zu kaufen. Dies kann angesichts der 2015 anstehenden Wahlen in der Euro-Zone auch als antizipierende Maßnahme gedeutet werden, damit die Charts weiter auf Rekordkurs bleiben. Staatsanleihen lohnen sich nicht mehr. Negativzinsen annullieren die Sparrendite. Das Geld fließt in den Aktienhandel. Deshalb heißt QL im Banker-Jargon »Börsen-Bazooka«. Bei den meisten deutschen Ökonomen wird es als Sieg der lockeren Haushaltspolitik der Südeuropäer über die Nordeuropäer gedeutet, sie sehen durch die mögliche Gesamthaftung ihren Exportvorteil in Gefahr. In der Tat ist kaum gesichert, ob die Draghi-Bazooka der Realwirtschaft etwas bringt.

Was jedoch gesichert ist, ist das Wahlergebnis. Es dokumentiert den Protest, die reale Lebenssituation und die politische Stimmung im Januar 2015. In Griechenland ist das seit 40 Jahren etablierte Parteiensystem durch die anhaltende Krise erodiert. Wut und Empörung werden durch den Wahlsieg von Syriza aufgefangen und in Hoffnung auf baldige Besserung gebunden. Aber schon Ende Februar läuft das zweite Kreditprogramm aus, die neue Regierung hat wenig Zeit, um die in sie gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.