Einen Monat nach der Wahl von Alexis Tsipras und Syriza in Griechenland hat die neue Regierung die erste große Hürde übersprungen. Sie hat gegen viele Widerstände, vor allem der deutschen Regierung und des Finanzministers, mit den europäischen Institutionen die Auszahlung einer letzten Kredittranche vereinbart. Damit ist der griechische Staat für die kommenden vier Monate zwar finanziell über Wasser, aber es wird schon offen über ein neues Kreditpaket in Höhe von 20 Milliarden gesprochen, das ab Juli – also vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause in Deutschland – in Kraft treten soll. Die jetzige Einigung wurde nur mit sehr hohem Energieeinsatz und komplexer Kommunikation erreicht, sie ist jedoch lediglich die erste Voraussetzung dafür, dass die neue griechische Regierung ihre innenpolitische Arbeit aufnehmen kann.

Dabei hat sie einige sozialpolitische Punkte aus ihrem Wahlprogramm durchsetzen können und auch der internationale Diskurs hat seine Schlagzeilen verändert. So steht die Politik der sogenannten »Troika«, die als Kontrollmonster seitens EU, EZB und IWF eingerichtet wurde, verstärkt in der Kritik. Die Troika hat mit ihrer irregulären Macht Griechenland in der politischen Wahrnehmung systematisch entmündigt und entwürdigt. Entwürdigung und Missachtung verursachen irrationale politische Stimmungen, die wechselseitige Anerkennung und der gegenseitige Respekt, mit dem seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa eine Friedensdividende erwirtschaftet wurde, droht zu vertrocknen.

Auch Jeffrey Sachs, ein amerikanischer Ökonom, der der LINKEN ganz sicher nicht nahe steht, hat die Troika und die Austeritätspolitik offen kritisiert, der wiederholte »bail-out« hat auch aus seiner Sicht nur die Verluste der großen Banken und Konzerne aus ihren schlechten Geschäften abgesichert. Nicht Griechenland und die Griechen wurden gerettet, sondern der Kapitalismus in seiner asozialen Seite. In der Schlussfolgerung von Sachs sind die langfristigen sozialpolitischen Folgekosten der Euro-Rettung für eine demokratisch organisierte Gesellschaft zu hoch, die humanitäre Verelendung, die aus der Austerität resultiert, hat das langfristige Potenzial angelegt, die Zustimmung zur Demokratie in Griechenland und die Grundlagen der Europäischen Union zu zerstören. Schluss damit!

Die auf Export getrimmte deutsche Wirtschaft und auch die Bundesregierung müssen einsehen, dass sie mit dem Euro eben nicht nur einen Marktvorteil zum eigenen Wohl erkauft haben, der darin besteht, dass das wirtschaftlich starke Zentrum der EU durch die schwachen Volkswirtschaften in der Peripherie erhebliche Währungskursvorteile hat. Mit der Wirtschafts- und Währungsunion wurde eine komplexe und vernetzte Struktur geschaffen, die wegen der eingegangenen wechselseitigen Abhängigkeit eine hohe Eigendynamik entwickelt hat. Hätte nur Deutschland alleine den Euro, würde beispielhaft das Verhältnis zum Dollar ein vollständig anderes sein.

Der Exportvorteil schmölze dahin und dennoch tun die nationalen Regierungen so, als wären sie die Herrin der Lage und der nationale Raum der Nabel der Welt. Aber mit der WWU sind seit zwanzig Jahren neue reale wirtschaftliche, politische und soziale Räume gewachsen, in denen neue Herausforderungen entstehen, neue Entscheidungen müssen getroffen werden. Es kann somit auch nur sehr bedingt auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Vielleicht muss die Regierungspolitik gerade deswegen nach innen das tonangebende Erscheinungsbild so hoch hängen.

Die im Verlauf der Euro-Krise zumeist aus Hektik heraus neu eingerichteten Gremien arbeiten oftmals ohne jegliche demokratische Rückkoppelung. Als schlechtes Beispiel stehen hier die hochrangigen Beamten der Troika in der ersten Reihe, sie sind mit hohen Kompetenzen, aber sehr niedrigen Kontrollmöglichkeiten ausgestattet. Die jetzige Vereinbarung eröffnet der neuen griechischen Regierung unter Alexis Tsipras die innenpolitische Chance, dass die durch die permanenten Herabsetzungen und Gängelungen beschädigten Wahrnehmungen von EU, EZB und IWF verändert werden. Aber hierzu müssen eben auch die letztgenannten ihre Politik ändern.

Ein notwendiger Punkt dabei ist, dass das zwischenstaatliche, aber auch das gesellschaftliche Verhältnis in einer Union so gestaltet ist, dass es auf wechselseitiger Anerkennung beruht und sich nicht permanent dem Vorwurf von einseitigem (deutschen) Diktat aussetzt. Gerade die Memoranden der Troika haben Griechenland nicht aus der Finanz- und Schuldenkrise herausgeholt, sondern zusätzlich eine humanitäre Krise produziert. Es war innenpolitisch ein wohltuender Akt der Befreiung, als der griechische Finanzminister unmittelbar nach seiner Ernennung die Zusammenarbeit mit der Troika medienwirksam aufgekündigt hat.

Die vorliegende Reformliste ist aus der Überzeugung konzipiert, dass die Nicht-Besteuerung und Steuerflucht der Reichen das Schlüsselproblem der griechischen Wirtschafts- und Finanzlage darstellt. Die Stärkung der Steuerfahndung, der Schutzmaßnahmen gegen Eingriffe politischer Eliten in die Arbeit der Steuerfahndungsbehörden und das Schließen von gesetzlichen Steuerschlupflöchern sind zentrale Vorhaben der griechischen Regierung. Es wird keine erneute Erhöhung der Steuerlast für Arme und den Mittelstand geben, geschliffene Arbeitsschutzstandards sollen wieder hergestellt werden. Mit der Entscheidung durch die EU-Finanzminister wurde dieser politische Richtungswechsel bestätigt. DIE LINKE im Bundestag wird sich dafür einsetzen, dass Syriza seine Chance nutzen kann. Der Kampf für ein soziales Europa geht in die nächste Etappe.