Bei der Wahl am 4. Oktober war das Mitte-Rechts-Bündnis (PSD und PP) mit 107 Mandaten erneut stärkste Kraft geworden. Die Sozialisten verfügen über 86 der 230 Sitze, der Linksblock 19, die CDU 17, die Tierschutzpartei PAN 1 Mandat. Der konservative Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva beauftragte Pedro Passos Coelho mit der Regierungsbildung. Doch der konnte keine Parlamentsmehrheit für sein im Parlament vorgestelltes Regierungsprogramm auf sich vereinen. In der internationalen Presse wurde dieser Vorgang als linker Umsturz interpretiert. Aber das zentrale Kriterium für Demokratien ist, dass Regierungsmacht nur für eine festgesetzte Dauer verliehen wird und dann stets neu errungen werden muss. Dies ist Coelho, trotz Unterstützung durch die stärkste Fraktion in der »Assembleia da República« nicht gelungen, weil er die Austeritätspolitik fortsetzen wollte.

Staatspräsident Silva hätte gerne Neuwahlen angesetzt. Aber die Parlamentsauflösung ist einem scheidenden Präsidenten laut Verfassung verboten, seine Amtszeit endet nach zwei Wahlperioden. Silvas zweiter Plan war es, Coelho für sechs Monate geschäftsführend im Amt zu halten, um dann neu wählen zu lassen, was dieser jedoch abgelehnt hat. Die linke Mehrheit hätte im Januar 2016 auch bei einer geschäftsführenden Regierung einen Staatspräsidenten nach ihrem Vorschlag durchgesetzt. Das Ansinnen von Silva war durch die demokratische Klugheit der Verfassung chancenlos.

Schlussendlich blieb Silva nichts anderes, als António Costa von der sozialistischen Partei gegen seinen erklärten Willen zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Allerdings versuchte er auch hier vorher noch, Bedingungen zu formulieren, wie den Nachweis einer überstandenen Vertrauensfrage im Parlament. Costa leitet nun ein Minderheitenkabinett, das durch den marxistischen Linksblocks, die Kommunisten und die Grünen unterstützt wird. Seit der Nelkenrevolution von 1974, die die dritte Republik begründete, ist es in Portugal nicht mehr zu einem solchen Bündnis gekommen.

EU und IWF hatten Portugal 2011 mit einem Kredit über 78 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt. Coelho hatte in Übereinstimmung mit der EU-Troika als Auflage einen strikten Sparkurs umgesetzt, Steuererhöhungen, Gehalts- und Rentenkürzungen, Sozialabbau, Abbau des Staatsapparats und dergleichen mehr. Im Ergebnis wurde das Haushaltsdefizit von 11% im Jahr 2010 auf 4,5% in 2014 reduziert. Die Umsetzung des neoliberalen Austeritätsregimes hat es der portugiesischen Regierung ermöglicht, das EU-Hilfsprogramm zu verlassen. Die Investoren waren zufrieden, seit Mai 2014 deckt Portugal seinen Finanzbedarf wieder über den »Markt«.

Einerseits wurden Erhalt und Fortbestand der Euro-Zone erreicht. Andererseits aber stand die Bewertung am »Politikmarkt« auf unzufrieden. Die Zufriedenheit der »Investoren« der Finanzmärkte wurde über zu hohe soziale Kosten für die Gesellschaft erkauft. Als die linke Regierung nicht mehr zu verhindern war, haben die »Investoren« dies an der Lissabonner Börse mit einem Minus von 8% kommentiert. Aber auch dort hat sich schnell die Einsicht verbreitet, besser eine linke Regierung als ein halbes Jahr keine Regierung und dann einen Wahlkampf mit vermutlich bestätigendem Ergebnis wie in Griechenland im September.

Die neue linke Regierung will die Austeritätspolitik in Portugal beenden. Sie hat unter anderem angekündigt, gemachte Einschnitte bei Gehältern und Renten zurückzunehmen. Den monatlichen Mindestlohn von 505 auf 600 Euro zu erhöhen und vier bereits abgeschaffte Feiertage wieder einzuführen. Die Gastronomiesteuer soll von 23% wieder auf 13% gesenkt werden. Finanziert werden sollen die Maßnahmen über eine Reichensteuer. Privatisierungen von öffentlichen Transport- und Wasserunternehmen in Porto und Lissabon sollen beendet werden. Der neue Premier Costa sicherte bei seiner Begegnung mit Präsident Cavaco Silva zu, dass er die Abkommen mit den Kreditgebern über die weitere Stabilisierung des Staatshaushaltes einhalten werde. Der Erfolg der Regierung hängt nun daran, ob die sozialen Versprechen umgesetzt werden.

Am 20. Dezember stehen in Spanien Nationalwahlen an, dort ist der konservative Ministerpräsident Rajoy für die Umsetzung der Austeritätspolitik verantwortlich. In den Regionalwahlen (März, Mai, September) hat seine Partido Popular (PP) verloren. Auch wenn sich die anfängliche Aufstiegskurve der neu gegründeten linken Podemos nicht linear fortgesetzt hat, werden die Wahlen im Dezember das seit dem Ende der Franco-Diktatur bestehende Zwei-Parteien-System in Spanien beenden. Neben der Kritik an der Austerität ist das Zwei Parteien System durch jahrelange Korruption beschädigt. Mit der von Liberalen gegründeten Cuidadanos stehen nun vier Parteien zur Wahl, dies wird die politische Landschaft Spaniens verändern.

Nach dem Regierungswechsel in Griechenland ist in einem weiteren »Programmland« eine linke Regierung ins Amt gekommen. Die Bewertung, das Rating der Regierungsarbeit durch den Demos ist in Demokratien ein konstitutives Element der Gestaltung nationaler, aber auch europäischer Politik. Es bestehen gute Aussichten, dass sich dieser Vorgang in Spanien wiederholt. Griechenland, Portugal und Spanien sind Beispiele für eine proeuropäische linke politische Zusammenarbeit, die auch zu Recht kritisiert werden können. Besser als Ungarn und Polen sind sie allemal.