Die Bundestagsfraktion DIE LINKE unterstützte am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, eine Kundgebung vor dem Brandenburger Tor, die von einem breiten Bündnis ganz unterschiedlicher politischer Gruppen getragen wurde. Wir machen damit auf die verheerenden Konsequenzen der EU-Flüchtlingspolitik aufmerksam, durch die tausende von Menschen in den vergangenen Jahren im Mittelmeer ertrunken sind. Wir setzen ein Signal dafür, diese Politik endlich zu ändern. Wir wollen, dass die EU nicht Jahr für Jahr Millionen für ihre Abschottung durch Frontex ausgibt. Mit den 17,5 Millionen Euro 2006, 42 Millionen Euro 2007, 70 Millionen Euro in der Haushaltsvorlage 2008 und fast 98 Millionen im Jahr 2014 hätten tausende Leben gerettet werden können. Stattdessen zerstört die EU ihre eigenen Grundversprechen und auch daran krankt die aktuelle Situation. Die Zerstrittenheit in der Flüchtlingspolitik ist in der EU zwischen Norden und Süden so groß wie der Streit um die Sparpolitik. Die Bundeskanzlerin fordert ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Der italienische Ministerpräsident ein Europa der zwei Barmherzigkeiten.

Nach aktuellen Schätzungen sind derzeit weltweit etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht und ein Blick auf die Krisenherde dieser Welt lässt nur wenig Hoffnung, dass sich dies schnell ändern wird. Über den aktuellen Streit kocht die Frage auf, ob die Bundesregierung bereit ist, das Schengener Abkommen vollständig auszusetzen und wieder vollumfängliche Reisekontrollen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU einzuführen. Diese Frage würde mit der drohenden Pleite Griechenlands und einem Ausscheiden aus der Euro-Zone in Tagesschnelle explodieren. Denn dann muss die Bundesregierung die Frage beantworten, wieviel Griechinnen und Griechen sie bereit ist, hier aufzunehmen. Eine große Abwanderung wäre eine der wahrscheinlichen Konsequenzen aus der Verelendungspolitik, die die Troika fünf Jahre in Griechenland betrieben hat. Griechenland hat eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50%.

Menschen, die in ihrer Heimat jede Hoffnung verloren haben, machen sich eben auf den Weg hin zu einem Ort, der für sie hoffnungsvoll erscheint. Das gilt für Griechenland. Das gilt für den West-Balkan. Das gilt für Nordafrika. Das gilt für den Nahen Osten. Das gilt für die Ukraine und die Staaten der Östlichen Partnerschaft der EU. Die ungarische Regierung plant jetzt gerade, einen vier Meter hohen Grenzzaun nach Serbien zu bauen. So werden die eigenen Grundwerte der Europäischen Union mit Füßen getreten, werden Humanismus und Menschenrechte ertränkt. Das waren aber einmal die politischen Grundwerte, auf die sich die EU mit Stolz berufen hat. Heute ist das Mittelmeer ein Meer der Tränen. Die Grundwerte sterben mit jedem ertrinkenden Flüchtling.

Aber nicht nur in ihrem Umgang mit der Flucht zeigt sich, wie ernst es die Europäische Union mit ihren Grundwerten nimmt. In Deutschland finden in vielen Städten rassistische Aufmärsche mit zum Teil zehntausenden Teilnehmenden statt, gesteuert von Rechtpopulisten und Neonazis, brennen wieder Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünfte. Festzustellen ist aber auch eine erfreuliche humanistische und zivilgesellschaftliche Bewegung gegen diese Entwicklung, eine breite Unterstützung dieser Initiativen und entsprechende Maßnahmen aus der Politik unseres Landes und der Europäischen Union bleibt jedoch in vieler Hinsicht aus.

Bei all dem, was wir aus deutscher Binnensicht entschieden kritisieren und wo DIE LINKE immer wieder für Verbesserungen eintritt: Aus der Perspektive der Lebenssituationen in der Ukraine über die angrenzenden Nachbarschaftssaaten der östlichen Peripherie, dem West-Balkan, über die an die Grenzen der Beitrittskandidatin Türkei angrenzenden Staaten des Nahen Osten bis zu den nordafrikanischen Staaten, die durch das Mittelmeer getrennt sind, ist die Europäische Union derzeit eine Insel der reichen Glückseligkeit. Sie ist ein Ort, an dem man sich eine Aussicht auf ein gutes Leben verspricht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Flüchtlinge willkommen zu heißen, ist eine Frage der Menschlichkeit.Refu