Finnland, für gewöhnlich ein eher stilles und unproblematisches Mitgliedsland in der EU, hat am 19. April das Einkammerparlament mit seinen 200 Sitzen neu gewählt. Von den 4.463.333 Wahlberechtigten haben sich 2.965.394 beteiligt, dies entspricht mit 70,1% in etwa der Beteiligung von 2011.

Das Ergebnis hat ähnlich wie in den Niederlanden die Stratifizierung der Parteienlandschaft bestätigt, im Parlament sind neun verschiedene politische Kräfte vertreten. Die bislang oppositionelle neoliberale Zentrumspartei (Keskusta) – früher Agrarpartei – ist mit 21,1% (!) (+5,4%) stärkste Kraft geworden und hat 49 Parlamentssitze (+14). Deren 54-jähriger Spitzenkandidat und nun vermutlich neue Ministerpräsident Juha Sipilä ist Unternehmer und erst seit 2011 in der Politik tätig. Er will die neue Regierung wie ein Manager führen.

Die Basisfinnen (Perussuomalaiset) erhielten mit 523.045 Stimmen 37.000 weniger als bei ihrem Überraschungsergebnis von 2011 und wurden mit 17,4% (-1,4%) und 38 Mandaten die zweitstärkste Partei. Der populär-nationalistische Trend wurde mehr oder minder bestätigt. 2011 waren sie mit dem Slogan »Die finnische Kuh muss in Finnland gemolken werden« angetreten, im aktuellen Wahlkampf mit: »Gegen niemanden – aber für Finnland«. Konkret wurden eine deutliche Steuererhöhungen für Reiche und der Rauswurf von Griechenland aus der Euro-Zone gefordert. Fremdenfeindliche und rassistische Parolen werden verbreitet.

Die bisherige die Regierung anführende konservative Partei Nationale Sammlung (Kansallinen Kokoomus), Mitglied in der EVP, hat 539.615 Stimmen bekommen (-2,2%) und ist mit 37 Mandaten auf den dritten Platz gefallen. Die Sozialdemokraten haben acht Mandate verloren und noch 34 Sitze, die Grünen haben mit 8,5% nun 15 Mandate (+5), die Linke (Vasemmisto) hat 12 Mandate (-2), die kommunistische Partei (Mitglied in der EL) hat mit 7.609 Stimmen 0,3% bekommen. Die schwedische Minderheitenpartei hat 9 Sitze, die Christdemokraten 5 Mandate und die Åland-Inseln entsenden wiederum einen Vertreter ins Parlament.

Im Wahlkampf stand die nunmehr dreijährige Rezession im Vordergrund. Finnlands Staatshaushalt lag 2014 moderat außerhalb der Maastricht-Kriterien (-3,2% im 1. und 61,2% in 2015, für die kommenden Jahre steigend prognostiziert im 2. Kriterium). Mit fast 10% Arbeitslosigkeit und einer Jugendarbeitslosigkeit von 20% ist das Land in den EU-Durchschnitt abgerutscht. Angesichts der wirtschaftlichen Schwäche wird das nordische Sozialstaatsmodell in den kommenden Jahren unter starken Druck kommen.

Haushaltsdisziplin und Sparpolitik waren die Wahlkampflinie der nun an erster Stelle stehenden Zentrumspartei. Die Spannungen zu Russland und eine Mitgliedschaft Finnlands in der NATO waren ebenso ein wichtiges Thema. Der abgewählte konservative Ministerpräsident Alexander Stubb hatte sich für einen Beitritt des neutralen Finnland ausgesprochen, Zentrumspartei, aber auch Sozialdemokratie dagegen. Sisipä sieht die EU-Sanktionen gegen Russland kritisch, nicht zuletzt wegen der Auswirklungen auf die finnische Wirtschaft. Hierdurch wird das Stimmgewicht der Kritiker im EU-Rat größer.

Nach der Parlamentswahl 2011 hatten in Finnland sechs Parteien miteinander koaliert, Nationale Sammlung, Sozialdemokraten, Linke, Grüne, Schwedenpartei und Christdemokraten. Bei bis zu zwölf Fraktionen im Parlament ist die Politik in Finnland zumeist konsensorientiert. Es wird versucht, eine möglichst große Zahl von Parteien einzubinden. Vasemmisto war 2014 wegen einer Kritik an der Sparpolitik aus der Regierung ausgetreten. Im Wahlkampf hatte sie mit dem Argument, Wachstum ist mehr wert als ein ausgeglichener Haushalt, für ein gezieltes Investitionsprogramm gestritten, zumal Finnland mit seiner hohen Bonität nur geringe Zinssätze bezahlen würde.

Die Niederlage der Konservativen hat nicht zu einem politischen Sieg der Linken geführt. Auf den konservativ-liberalen Stubb wird mit Sipilä ein wirtschaftspolitisch Liberaler, aber gesellschaftspolitisch Konservativer folgen. Die Sozialdemokraten sind vom zweiten auf den vierten Platz zurückgefallen. Sie haben wie Vasemmisto im Wahlkampf ein Ende der Austerität gefordert. Zusammen haben die Gegner der Sparpolitik im Parlament 10 Mandate verloren. Andererseits fordern aber auch die Basisfinnen eine massive Steuererhöhung, was der neoliberalen Richtung der Zentrumspartei entgegensteht.

Auf Grund der breiten Diskussion über die Lösungen der finnischen Krise werden nun langwierige Koalitionsverhandlungen erwartet. Der politische Rechtsschwenk von 2011 ist etabliert, die Basisfinnen gelten unwidersprochen als regierungsfähig und ministrabel. Aber auch Sozialdemokraten und Grüne haben reale Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. Der neoliberale Politikansatz des Managers Sipilä wird im Falle einer Koalition unter Einbeziehung der Basisfinnen mit einer nationalpopulären Betonung des Finnischen einhergehen. Dies wird ihm keine besondere Herausforderung sein, Sipilä ist in der Erweckungskirche der Laestadianer aktiv, die für ihr traditionelles Familienbild, Ablehnung von Homosexualität und Abtreibung bekannt ist.

Der Regierungswechsel hat auch für die Verhandlungen zwischen Euro-Zone und EU Auswirkungen. Die neue Regierung wird im Rat auf einem neoliberalen »Reformprogramm« für Griechenland beharren, das Athen bei einer Erneuerung von Finanzhilfen unterschreiben muss. Die Wahl in Finnland hat den Einfluss der nationalpaternalen Fliehkräfte auf die EU und Euro-Zone verstärkt.