„Diese Verhandlungen werden natürlich im Geheimen geführt“, sagte EU-Handelskommissar Karel de Gucht vor dem Europäischen Parlament. Nach drei geheimen Verhandlungswochen zwischen EU und USA ist trotzdem deutlich geworden, das bisherige Ergebnis ist mehr als mager. Die EU-Kommission hat nicht vermocht, bei der US-Regierung auf Gleichberechtigung in den Handelsgesprächen zu pochen. Möglicherweise hat sie es nicht einmal ernsthaft versucht. Lediglich etwa 600 Lobbyist_innen bekommen die Verhandlungsstände und wenige handverlesene EU-Parlamentarier_innen. Die Vorgespräche sind eine große schwarze Box, aus der nichts konkretes herauskommt, da sprießen die Spekulationen trotz des Winters schnell ins Kraut. Der neueste Vorschlag der US-Regierung in Sachen Transparenz geht dahin, dass sich europäische Beamte in einem eigens eingerichteten Leseraum akkreditieren sollen, um die jeweiligen US-Positionen zu erfahren. Bei allen, die diesem Vorhaben kritisch gegenüber sind, klingeln zu Recht die Alarmglocken.

Selbst Vertreter_innen von nationalen Regierungen sind frustriert, weil die EU-Kommission die Positionen der Handelspartnerin unter Verschluss hält. Nichtregierungs- und Verbraucher_innenorganisationen werden zwar ob ihrer Expertise befragt, aber dies vermutlich nur, um sich in einer PR-Kampagne besser gegen Einwände wappnen zu können. Die Einsicht in die konkreten Verhandlungsstände beim TTIP bleibt ihnen als „Gegenleistung“ versperrt. Auch dies trägt nicht zur Verbesserung des Klimas und zu einer vertrauensvollen politischen Atmosphäre bei. In der Zeit seit dem Startschuss im Juni 2013 haben die Verhandlungspartner_innen es lediglich vollbracht, das als vielversprechendes Projekt angekündigte Vorhaben durch intransparente und undemokratische Verhandlungsführung vollständig zu diskreditieren.

Demokratie ist nicht Demokratie, wenn sie nicht hält, was sie verspricht. Eine gesellschaftliche Ordnung, in der die ganz normalen Leute über ihr Leben mitbestimmen und mitreden können. Innerhalb von nur drei Vorverhandlungswochen wurde völlig zu Recht durch die Politik der Hochnäsigkeit gegenüber demokratischen Standards und des Ausschlusses von politischer Partizipation eine veritable Gegenwelle organisiert. Innerhalb von kurzer Zeit haben z. B. 320.000 Menschen eine Aktion für Demokratie von Campact unterstützt, mit der zum Stop der TTIP- Verhandlungen aufgefordert wird.1 Handelskommissar de Gucht hat am 21. Januar vor der kritischen Öffentlichkeit eingelenkt und in einem Brief an alle Wirtschafts- und Handelsminister der EU für den als besonders heikel angesehenen Punkt der Investor-Staats-Schiedsverfahren (ISDS) eine dreimonatige öffentliche Anhörung in Aussicht gestellt.2 Druck machen lohnt sich also. Die Anhörung kann aber nur ein erster Schritt zu mehr Transparenz sein.

Das ganze Getue über Geheimgerichte und Regulierungsräte zum Schutz von global agierenden Investor_innen ist heutigen demokratischen Standards zur Findung von Entscheidungen nicht angemessen.3 Es ist nun einmal Sinn und Aufgabe von Öffentlichkeit, kritisch auf Regierungshandeln zu schauen. Dies umso mehr in Zeiten, wo sich eine Regierung wie hierzulande im Parlament auf eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit stützen kann. Und ärgerlich wird es dann, wenn selbst die Bundesregierung davon ausgeht, dass es sich sowohl bei dem bereits im Vertragstext fertigen Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) als auch beim Europäisch-amerikanischen Abkommen (TTIP) um gemischte Vertragswerke handelt, denen der Bundestag nach Artikel 59, Absatz 2 zustimmen muss und auch der Bundesrat, bevor sie in Kraft treten können. Die öffentliche Debatte ist also gar nicht vermeidbar. Sie wird in jedem Falle stattfinden und je mehr Heimlichtuerei die beteiligten Parteien an den Tag legen, umso größer und vermutlich berechtigter werden das Misstrauen und die Ablehnung sein.

Am 22. Januar hat die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion4 geantwortet, dass der Abschnitt über Investor-Staats-Schiedsverfahren im Vertragstext von CETA »Präjudizwirkung« haben wird. Es heißt wörtlich: „Die Ausgestaltung des Kapitels über Investor-Staats-Schiedsverfahren im TTIP [ist] jedoch von erheblicher Bedeutung, da dieses Präjudizwirkung für zukünftige von der Kommission verhandelte Abkommen mit Investitionsschutzabkommen haben wird.“ (Antwort auf Frage 24; Drucksache 18/258). Was also ist der tiefere Sinn der öffentlichen Anhörung zu ISDS? Überbrückung und Schadenminimierung bis zur Wahl des Europäischen Parlaments am 25. Mai? Immerhin muss sich die neue Kommission durch das neu gewählte EU-Parlament bestätigen lassen.

Im Februar wollen sich die Chefunterhändler zu einer Bestandsaufnahme bezüglich des Verhandlungsstandes, der zu behandelnden Themen und eventuell anstehenden politischen Entscheidungen treffen. Von dort aus wird es in der vierten Verhandlungswoche im März in die konkrete Textarbeit gehen. Wir werden uns mit den zivilgesellschaftlichen Akteur_innen gegen das geplante Abkommen stark machen. Die Kommission ist nun aufgefordert, alle handelnden Personen und bereits besprochenen Arbeitsergebnisse von allen Arbeitsgruppen offenzulegen, die sich mit der Erarbeitung des Freihandelsabkommens beschäftigt haben. Nur so ist es möglich, sich eine eigene fundierte Meinung zu bilden.

DIE LINKE im Bundestag fordert:

  • ein sofortiges Ende aller Geheimverhandlungen;
  • die ersatzlose Streichung des Konzern-Klagerechts aus Handelsabkommen;
  • den Vorrang von Mensch und Natur vor Konzerninteressen;
  • eine Stärkung der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern;
  • mehr Mitbestimmung und eine umfassende Demokratisierung aller Bereiche;
  • starken Verbraucherschutz;
  • keine Patentierung von Wissen
  • und ein hohes Niveau öffentlicher Dienstleistungen.

Quellen:

1 https://www.campact.de/ttip/appell/teilnehmen/
2 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-56_en.htm
3  https://thomas-nord.de/2013/12/28/geheimgerichte-und-regulierungsraete/
4 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/002/1800258.pdf