Der Vorwurf, Deutschland mache mit niedrigen Löhnen Profit auf Kosten anderer Länder, ist inWest- und Südeuropa, ja selbst in den USA weit verbreitet. In der deutschen Presse findet diese Kritik in aller Regel keine Erwähnung. Auch nicht die Einschätzung, dass dieses Verhalten die aktuelleWirtschafts- und Finanzkrise mit verursacht hat.

Die Organisation für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCTAD) hat der deutschen Wirtschaft in dieser Woche empfohlen, die Löhne zu erhöhen. Konsum und Investitionen wachsen in Deutschland derzeit hauptsächlich durch Konjunkturpakete, das aktuell gefeierte Wachstum entsteht zu drei Vierteln durch den Exporthandel. Das heißt, der viel gelobte Aufschwung ist ein Effekt, der durch die höhere Nachfrage anderer Staaten entsteht. Der Exportvorteil wird im eigenen Land durch die Niedriglohnpolitik der letzten zehn Jahre abgesichert. Nach Ansicht der UNCTAD ist diese Wirtschaftspolitik mit einem Trittbrettfahren auf Kosten anderer Volkswirtschaften zu vergleichen.

Die UNCTAD ist mit diesem Befund nicht alleine, auch Luxemburgs Premierminister Jean- Claude Juncker fordert mit deutlichen Worten Lohnerhöhungen in Deutschland: „Den Weg, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat, würde ich in unserem Land nicht gerne gehen.“ Er wirft der Bundesregierung „Lohn- und Sozialdumping“ vor. Während deutsche Arbeitnehmer seit Beginn der Währungsunion 1999 bis heute mit einer Lohnsteigerung von 12% vorlieb nehmen mussten, bekamen die Luxemburger über 41% mehr Geld. Wenn man die Inflation mit einbezieht, so Juncker, „hat sich das Realeinkommen der deutschen Arbeitnehmer verschlechtert.“ Schuld daran sind unter anderem die Hartz- Reformen, die ganze Teile der Bevölkerung in den Niedriglohnsektor hinab gedrückt haben. „Millionen Menschen in Deutschland verdienen weniger als 700 Euro im Monat.“

Ein Bäcker verdient in Sachsen-Anhalt laut Tarifvertrag 4,48 Euro. In Rheinland-Pfalz erhalten Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie einen Tariflohn von 5,84 Euro. 6,5 Millionen (fast 25% aller Beschäftigten) arbeiteten im Jahr 2007 zu Niedriglöhnen. Von 1995 bis 2007 ist die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten um 2,1 Millionen gestiegen. Es gibt über 1,3 Millionen Aufstocker, die zusätzlich zu ihrem Lohn auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind. Die Bundesregierung fordert mit dieser Politik Unternehmen dazu auf, schlechte Löhne zahlen. DIE LINKE fordert ein Gesetz zu verabschieden, mit dem ein Mindestlohn von 10 Euro festgelegt wird, der jedes Jahr um den Betrag des realen Zuwachses der Lebenshaltungskosten ansteigt.