Die Rettungsaktion für Irland ist angelaufen. Was 2008 als Banken- und Finanzkrise angefangen hat, ist nun eine existenzielle Krise der gemeinsamen Währung und darüber hinaus der gemeinsamen europäischen Institutionen.
Die Eckdaten des irischen Rettungspaketes liegen auf dem Tisch: 85 Milliarden Euro will das hoch verschuldete Land aus dem internationalen Rettungsfonds aufnehmen. Zugleich wird ein drastisches Kürzungsprogramm für Irland angekündigt, mit dem binnen vier Jahren 15 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Der Mindestlohn von 8,55 Euro wird um einen Euro gesenkt. Im öffentlichen Dienst sollen 25.000 Stellen gestrichen werden und die Gehälter um insgesamt 1,2 Milliarden Euro gekürzt. Die direkten Sozialausgaben werden um gut drei Milliarden reduziert. Am 7. Dezember soll der Haushalt verabschiedet werden, dann wird die Regierung nach aktueller Berichtslage auseinanderfallen.
Die Märkte haben längst Portugal und Spanien ins Kreuzfeuer genommen. In Portugal hat in dieser Woche der größte Generalstreik seit den 1980ern stattgefunden. Nun wird Portugal gedrängt, unter den Rettungsschirm zu gehen, um die Märkte zu beruhigen und so die Chancen zu erhöhen, dass Spanien mit einem blauen Auge davonkommt. Italien ist angezählt, nicht nur wegen der unsäglichen Berlusconi-Regierung, sondern wegen einem Schuldenstand über 115% des Bruttoinlandsproduktes. Noch bevor ein Euro an Irland ausgezahlt ist, wird die Forderung laut, die Summe für den Rettungsschirm auf 1,5 Billionen Euro zu verdoppeln. Die Kommission dementiert das in gewohnter Weise. Dies zeigt die Nervosität der Verantwortlichen in den europäischen Institutionen im Zustand von einem guten halben Jahr von ununterbrochenem marktwirtschaftlichen Dauerbeschuss. Merkel und Rompuy warnen bereits vor einem Zerfall Europas. Das Umschlagen der Wirtschafts- und Finanzkrise in eine politische Systemkrise hat eine Dynamik bekommen, von der nicht mehr abzusehen ist, wie sehr sie sich beschleunigen wird. Die Politisierung der Krisendynamik dürfte einmal mehr den inneren Konflikt Belgiens an die Oberfläche spülen, die drohende Spaltung Belgiens in Flandern und Wallonien zeigt die inhärenten Konfliktlinien, die innerhalb der Nationalstaaten liegen.
Man muss nur einen kleinen Schritt aus der aktuellen, hektischen Diskussion, in der die Halbwertszeit der Nachrichten enorm gesunken ist, zurücktreten, um zu erkennen, dass es nicht um einzelne Nationalökonomien geht. Nicht ein einzelner Staat steht unter dem Druck der Märkte, es ist die gesamte Euro-Zone und die gegenwärtige Verfasstheit der Europäischen Union auf den Grundlagen des Vertrags von Lissabon. Das großspurige Vorhaben einer europäischen Verfassung war krachend an seinen demokratischen Defiziten gescheitert, statt dessen wurde nahezu der gleiche Text als Vertragswerk von Lissabon verabschiedet. Das die freien Märkte dieses einer Überprüfung unterziehen, entspricht den Regeln der Marktwirtschaft. Nun wird versucht, den Euro und die EU um jeden Preis zu halten, koste es was es wolle. Der Ausgang ist völlig offen. DIE LINKE meint: Eine stabile Union braucht einen umfassenden demokratischen, sozialen und ökologischen Neustart der Europäischen Institutionen.
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