Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat in dieser Woche unabhängige Untersuchungen der Verbrechen gefordert, die unmittelbar nach dem Kosovokrieg (24. März bis 10. Juni 1999) begangen wurden. Dies bezieht sich insbesondere auf bestehende Hinweise, dass Gefangenen der Kosovo „Befreiungsarmee“ UCK auf albanischem Territorium Organe entnommen wurden, um diese für Transplantationszwecke ins Ausland zu bringen. Die Versammlung verabschiedete eine auf einem Bericht von Dick Marty (Schweiz) basierende Entschließung und forderte weiterführende Untersuchungen der Hinweise auf geheime von der UCK kontrollierte Inhaftierungszentren und das Verschwinden von Personen in Zusammenhang mit dem Kosovokrieg sowie von Absprachen zwischen organisierten „kriminellen Gruppierungen und politischen Kreisen“.

Die Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wiesen darauf hin, dass die Wirklichkeit im Jugoslawienkrieg komplexer ist als die Annahme, dass die Täter der Verbrechen stets auf der Seite der Serben stünden und die Opfer stets auf der anderen. „Die Wirklichkeit ist weniger eindeutig und komplexer“, so der Wortlaut der Entschließung. „Es kann keine Justiz für die Sieger und eine andere für die Besiegten geben.“ Mit der Entschließung werden albanische Behörden und die Verwaltung des Kosovo aufgefordert, mit EULEX oder anderen internationalen Einrichtungen „uneingeschränkt zusammenzuarbeiten“, um ungeachtet der Herkunft der Verdächtigen oder der Opfer die Wahrheit über die Verbrechen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt zu erfahren.

Anfang September 2010 hatte Serbien bei der UN-Vollversammlung in New York eine Resolution eingereicht. Die Resolution ruft zu einem Dialog zwischen Belgrad und Prishtina auf, obwohl Serbien unverändert Kosovo als seine Provinz betrachtet. In der Presse wurde dies als „Einlenken“ oder „Kapitulation“ bezeichnet, weil Serbien zunächst in der Resolution die Verurteilung der einseitigen Sezession des Kosovo forderte. In den Gesprächen zwischen Belgrad und Priština, die die EU organisieren will, ist Hashim Thaçi aus serbischer Sicht ein unakzeptabler Gesprächspartner. Dass Thaci die Dezember-Wahlen gewonnen hat, bedeutet eine Blockadesituation für den vereinbarten politischen Dialog. Die unabhängig durchzuführenden Untersuchungen, die dem Entschluss der Versammlung des Europarats folgen, müssen in sehr schwierigem Fahrwasser durchgeführt werden. Jeglicher Verdacht einer einseitigen politischen Instrumentalisierung schadet der notwendigen Aufklärung der Vorwürfe.