Der französische Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauß-Kahn, hat Anfang dieser Woche in einer Rede vor Studierenden in Washington das liberale Wirtschaftsdenken als überholt bezeichnet und eine gerechtere Verteilung der Globalisierungsgewinne gefordert. In Zukunft will der Währungsfonds, der regelmäßig alle Länder prüft, auch auf soziale Ausgewogenheit achten. Das ist ein Paradigmen-Wechsel, der auf die zunehmende politische Instabilität in Europa reagiert. Es bleibt abzuwarten, wie ernst dieser Vorstoß gemeint ist, denn die Praxis des IWF ist zur Zeit eine völlig andere.

In den letzten zwei Jahren war zu beobachten, wie die zum Teil absurden Abstufungen der Kreditwürdigkeit die Zinsen für Staatsanleihen die Kosten für Kreditausfallversicherungen (CDS) in die Höhe geschraubt haben. Das aktuellste Beispiel ist Portugal, die Ratingagenturen haben mit ihren Abstufungen dazu beigetragen, dass Portugal gerade den Gang unter den Rettungsschirm antritt. Vor 16 Monaten hatte die Ratingagentur Moody’s damit begonnen, das Land in einem Atemzug mit Griechenland zu nennen und den langsamen Tod Portugals zu prophezeien.

Verbreitet wurde von den Agenturen die falsche Einschätzung, Portugal sei hoch verschuldet. Die Staatsverschuldung liegt unter dem EU Durchschnitt, unter der Frankreichs und nur leicht über der Deutschlands. Für Anleihen, wie sie am 01. April 2011 für fast 9% ausgegeben wurden, bezahlte Portugal im Dezember 2010 etwa 1% Zinsen. Der sozialistische Präsident hatte sich bis zuletzt gegen einen Antrag auf Finanzhilfe gewährt, weil der ehemaligen Kolonialmacht klar ist, was es bedeutet, wenn der IWF mit seinen Inspektoren ins Land kommt. Nun droht Portugal wie auch schon Irland und Griechenland ein erheblicher Verlust an Souveränität.

Der Internationale Währungsfond (IWF) hat Ende März eine Studie vorgelegt, in der die Auswirkungen von Ratings auf die europäischen Finanzmärkte im Zeitraum zwischen 2006-2010 untersucht werden. Bei den 71 untersuchten Bewertungen durch die drei großen Ratingagenturen, Moody’s, Fitch und Standard and Poor’s (S&P) wurden statistisch und wirtschaftlich relevante Auswirkungen auch auf andere Länder und Finanzmärkte festgestellt. Kurzum, Rating-Agenturen geben ökonomische Bewertungen über die Bonität und Vertrauenswürdigkeit von Staaten, Konzernen, Banken und Firmen ab, aus denen nachhaltige politische Folgen resultieren, die europäische Nationalstaaten in den finanziellen Bankrott treiben. Das Fallen von Portugal wird einen spillover Effekt auf Spanien haben.

Die privaten Ratingagenturen -allen voran Moody´s- haben nun die Bewertung für zahlreiche Bankinstitute in Spanien gesenkt. Die von vielen Wirtschaftszeitungen verbreitete Dominotheorie der fallenden Südstaaten der Europäischen Union liest sich wie ein Regieplan zur Verschärfung der Krise der EU. Die drei Agenturen haben auf der anderen Seite extrem risikoreichen Wertpapieren Bestnoten ausgestellt, zum Beispiel der US-Bank Lehman Brothers bis zum Zusammenbruch noch die Bestnote gegeben. Die Domino Theorie zu verlängern heißt, nach Portugal kommt Spanien, danach Italien und Frankreich. Die osteuropäischen Staaten der Europäischen Union fallen aus der Domino- Betrachtung heraus, weil sie keine Mitglieder der Eurozone sind und ausschließlich mit dem IWF „verhandeln“ müssen. Wenn Frankreich, das den Kriegseinsatz gegen das Libyen von Gaddafi am aggressivsten vorangetrieben hat, in die Mangel genommen wird, ist der Spaltkeil im Zentrum der Europäischen Union angekommen und die Ratingagenturen haben ganze Arbeit geleistet. Hieraus erklärt sich die zunehmende Nervosität und der Versuch zu einem Paradigmen-Wechsel durch
Strauß-Kahn.