Der Euro leidet seit seiner Einführung an einem Konstruktionsmangel, der fehlenden politischen Einigung auf europäischer Ebene. Durch diesen Mangel wurde, abstrakt gesprochen, mit dem Bundestagsbeschluss von 1998 ein Ungleichgewicht im Verhältnis von Politik und Ökonomie institutionalisiert, das im Laufe der Jahre immer größer geworden ist.
Wirtschaft und Finanzen haben sich längst im Denken und im Handeln europäisiert, während die Politik die Souveränität des Nationalstaates unverändert hochhält und damit Entscheidungskompetenz vorgaukelt. Die Souveränität der Nationalstaaten in der Europäischen Union, insbesondere der Eurozone ist eine Selbsttäuschung. Die Wirklichkeit zeigt, die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ist darauf beschränkt, der Entwicklung auf den Märkten hinterher zu hecheln. Ohne eine weitergehende politische Souveränisierung der Europäischen Union wird sich das beim jetzigen Stand der ökonomischen Globalisierung nicht ändern.
In der aktuellen Situation trifft dieser Faktor auf die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Durch die Rettungsmaßnahmen der Staaten wurde aus der Krise von 2008 in einer zweiten Welle eine Finanzkrise der Staatshaushalte. In einer dritte Welle der Krise trifft diese auf die Standfestigkeit der politischen Institutionen, konkret auf die fehlende gemeinsame Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik in der Eurozone.
Durch den Bankrott eines Staates steht der Fortbestand der Eurozone als Ganzes auf dem Spiel. Die ökonomische Krise des Jahres 2008 hat sich im Jahr 2011 in eine zutiefst politische Krise gewandelt, die den europäischen Einigungsprozess auf die Probe stellt. Wenn mit der Einführung des Euros im Jahr 1998 ein explizit ökonomisches Zwangsmittel zur politischen Einigung Europas institutionalisiert wurde, so kann man sagen, hat dies keine 15 Jahre später seine beabsichtigte Wirkung entfaltet. Europäische Integration oder Zerbrechen der Eurozone heißen die Alternativen. Interessant ist, dass die Folgen der Entscheidung der Regierung Kohl zur bisher größten politischen Herausforderung der Regierung Merkel wird.
Der Kern der politischen Krise liegt jenseits der Kritik an der Entscheidungsschwäche von Angela Merkel im politischen Selbstverständnis der CDU. Von ihrer Herkunft ist die CDU eine nationalchauvinistisch geprägte Partei, Souveränität und einmalige Besonderheit Deutschlands als Nation ist ihr bis heute oberstes Kriterium. Gleichzeitig hat sich die CDU seit ihrer Gründung zum europäischen Einigungsprozess bekannt und dieses Bekenntnis ist ihr zweites, genau so wichtiges Merkmal. Mit der Merkelschen Richtungslosigkeit versucht sie, die CDU der Zwickmühle zu entziehen, sich im Zweifelsfalle für und dadurch zugleich gegen eines dieser Grundkriterien entscheiden zu müssen.
Mit der parlamentarischen Zustimmung zu einer europäischen Transferunion und zu Eurobonds würde die CDU ihr deutsch-nationales Souveränitätsmerkmal einbüßen und müsste sich tendenziell auf ähnliche Konsequenzen einstellen wie die SPD nach der Verabschiedung der Agenda 2010. Wenn sie sich aber gegen die notwendige Europäisierung stellt, verliert sie ein Identifikationsmerkmal, das seit Konrad Adenauer das moderne Gesicht des deutschrepublikanischen Nationalkonservatismus ausmacht.
Kommentieren