Mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit von Italien ist die Euro-Krise weiter in das Zentrum der Europäischen Union vorgedrungen und bringt das Fundament der bürgerlich-neoliberalen Wunschkoalition in ernsthafte Bedrängnis. Kaum jemand in der CDU ist von einer Kanzlerinnenmehrheit bei der Abstimmung über die erweiterte EFSF überzeugt. Die FDP, im Ergebnis der Berlin-Wahl unter „Sonstige“ einzustufen, bereitet darüber hinausgehend einen Mitgliederentscheid gegen die Abstimmung über den dauerhaften Rettungsschirm ESM vor, der würde die FDP bis zum Jahresende voll beschäftigen. Da ist es ein guter Zufall, wenn die Beratungen und die Entscheidung darüber im Bundestag auf Grund fehlender Übersetzungen der Arbeitsdokumente in die deutsche Sprache ins Frühjahr 2012 verschoben werden können. Die Abstimmungen über den permanenten Rettungsschirm werden zur permanenten Regierungskrise der schwarz-gelben Wunschkoalition.

Derweil bereitet die griechische Regierung Berichten zufolge eine Volksabstimmung über den Verbleib in der Eurozone vor. Damit konnten die Experten von EZB, IWF und EU-Kommission offenbar überzeugt werden, die Überprüfung der griechischen Sparanstrengungen wieder wohlwollend aufzunehmen. Ihr Bericht ist entscheidend über die Auszahlung des nächsten Kreditanteils, mit der ein weiteres Mal Zeit erkauft wird. Die Politik wird diese Zeit nutzen, sich auf eine Pleite des griechischen Staates vorzubereiten. Mit ihr wird das praktische Einsetzen des Domino-Effekts befürchtet, den die Rating-Agenturen bis zur Androhung der Abstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs systematisch vorbereitet haben. Die mögliche Abwertung Frankreichs treibt einen Keil in den politischen Kern der Europäischen Union. Er äußert sich in der Bewertung der so genannten Eurobonds. Die französische Regierung befürwortet sie wegen dem Domino der Rating-Agenturen, die Bundesregierung nicht, weil sie die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt unter den Bedingungen der Schuldenbremse fürchtet.

In der Finanz- und Realwirtschaft wird die gekaufte Zeit für eine Rückhol- und Absetzbewegung eingesetzter Mittel genutzt. Noch bevor die Kreditwürdigkeit von französischen Großbanken wegen ihres hohen Anteils an griechischen Staatsanleihen herabgestuft wurden, hat Siemens eine halbe Milliarde Euro aus der Société Générale abgezogen und direkt bei der Europäischen Zentralbank eingelagert. Das kann Siemens, weil sie 2010 eine Bank gegründet haben, um Mittel bei der EZB abrufen und deponieren zu können. In Deutschland haben nur wenige Unternehmen ein so großes Finanzvolumen, ein weiteres Beispiel ist BMW. Mit den Euro-Rettungskrediten bekommen diese die Zeit, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Bezahlt wird die Kapitalrettung mit dem größten Sozialabbau seit dem Zweiten Weltkrieg und einer Dauerkrise der Demokratie in Europa, die dem haltlosen Treiben der Finanzmärkte ohnmächtig gegenüber steht.