In der Bundesrepublik Deutschland hat der 17. Juni – wie wir wissen – eine besondere politische Bedeutung. In diesem Jahr könnte der 17. Juni eine neue Deutung bekommen, die von weitreichenden europäischen Folgen ist. In Frankreich findet die zweite Runde der Wahlen zur Assemblé Nationale statt, sie entspricht bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Institutionen dem Deutschen Bundestag. Am gleichen Tag wird in Griechenland die Neuwahl durchgeführt, die nach dem Scheitern der Regierungsbildung notwendig wurde. In Deutschland wurde das griechische Wahlergebnis vom 6. Mai und der Versuch einer stabilen Koalitionsbildung in Anlehnung an die Zeit nach dem I. Weltkrieg in Deutschland mit „Weimarer Verhältnissen“ verglichen.
Der Ausgang der Wahl in Griechenland wird nach allgemeiner Lesart über den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone entscheiden. Wird die griechische Syriza stärkste Fraktion im Parlament, wie es derzeitige Umfragen vorhersagen, käme dies nach Meinung der Bundesregierung einer politischen Aufkündigung der bisherigen Sparpakete gleich. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Angaben vom griechischen Übergangsregierungschefs, Panagiotis Pikrammenos, ein gleichzeitig mit der Wahl stattfindendes Referendum über den Verbleib des Landes in der Eurozone vorgeschlagen. Berlin seinerseits hat umgehend dementiert, aber die Griechen sind verständlicher Weise sauer, weil Pikrammenos allen Parteivorsitzenden die Wahrheit der Nachricht bestätigt hat. Die Abneigung gegen Deutschland wächst. Angesichts einer immer klareren Verweigerungshaltung der griechischen Politik haben sich am Mittwoch die Vorbereitungen auf ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euroraum verdichtet. Dem Vernehmen nach entwickeln Arbeitsgruppen in der Europäischen Zentralbank und in der Bundesbank Verfahrensweisen für das Ausscheiden Griechenlands.
Dies alles heizt die politische Stimmung in der Euro-Zone, aber besonders die in Griechenland mächtig an. Die Debatte um die Aufweichung der Sparprogramme und der Stärkung des Wachstums weiß die französische Position des neuen Präsidenten Hollande im Rücken und auch, dass beide Parlamente am 17. Juni gewählt werden. Der EU-Sondergipfel vom 24. Mai hat ein klares Drohszenario aufgebaut und die politischen Beschlüsse für den regulären Gipfel am 28./29. Juni in Aussicht gestellt. Griechenland soll nur im Euro bleiben, wenn die künftige Regierung auf Sparkurs bleibt und Reformen umsetzt. Dies sei die beste Garantie für eine „von größerem Wohlstand geprägte Zukunft im Euro-Gebiet“, schrieben die EU-Staats- und Regierungschefs in ihrer Abschlusserklärung zum Krisentreffen am Donnerstagmorgen in Brüssel. „Wir erwarten, dass sich die neue griechische Regierung nach den Wahlen für diesen Weg entscheiden wird.“ Der ehemalige Interimsministerpräsident Griechenlands, Lucas Papademos, spielt die gleiche Geige „Das Risiko, dass Griechenland den Euro verlässt, ist real, und es hängt davon ab, ob das griechische Volk die weitere Umsetzung des Wirtschaftsprogramms unterstützt.“
Eine weitere Abstimmung dürfte die politische Lage bis dahin beeinflussen. Am 31. Mai stimmt das irische Volk über den europäischen Fiskalpakt ab. Schon seit Wochen bestimmt das Referendum die politische Agenda. Und es könnte erneut knapp werden. Bereits 2001 und 2008 hatten die Iren den EU-Verträgen von Nizza und Lissabon ihre Zustimmung verweigert. Erst im zweiten Anlauf konnten die Verträge ratifiziert werden. Das Rennen ist auch diesmal eng und die Stimmung kann schnell kippen. Denn die gefühlte politische Lage ist auf Eskalation gestimmt, die sich auch im Falle Frankreichs am 6. Mai als eine Wahlhilfe für den neuen Präsidenten erwiesen hat. Mit ihm muss die Bundeskanzlerin nach den Wahlen am 17. Juni zu einer neuen Einigung kommen, damit das Zentrum der Europäischen Union nicht zersplittert. Der Trend zwischen Deutschland und Frankreich ist gegenläufig, Deutschlands Zinsen fallen, Frankreichs steigen. Solange die Deutsche Wirtschaft und die schwarz-gelbe Bundesregierung den Euro als nationalökonomischen Standortvorteil für eine starke Exportwirtschaft begreifen, sägen sie an dem Ast, auf dem sie sitzen. Die Eurokrise hat die als robust geltende deutsche Konjunktur längst eingeholt. Die EU muss zu einer Wirtschafts- und Sozialunion werden, sich von dem national umrahmten Marktvorteil verabschieden und stattdessen eine gemeinsame Steuer- und Lohnpolitik vereinbaren.
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