Mit Spanien und Zypern haben in dieser Woche Land vier und fünf der siebzehn Mitglieder der Eurozone Hilfsmaßnahmen beantragt, weil sie sich alleinstehend an den Kapitalmärkten nicht mehr refinanzieren können. Als Hauptproblem des Inselstaates, der am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, gilt der eng mit den griechischen Geldhäusern verwobene Bankensektor. Jedes dieser Länder, Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern hat individuell anders gewichtete Gründe, um den Gang unter den Rettungsschirm zu beantragen.
Allen gemein ist, dass sie ein Stück nationale Haushaltssouveränität abgeben müssen und die Troika aus EU, EZB und IWF ihnen einen Besuch abstattet, um die Bedingungen für die Vergabe der Kredite auszuhandeln. Durch die Staatshaftung für die 100 Milliarden Euro, mit denen die maroden Banken stabilisiert werden, steigt die spanische Schuldenquote auf 90 %, die Märkte verlangen wiederum höhere Zinsen. Die Rating-Agenturen stufen die Banken und den Staat teils drastisch ab, die Spirale ist nunmehr seit einigen Jahren vertraut.
Die drittgrößte italienische Bank, Monte dei Paschi di Siena, erhält per Beschluss der Technokraten-Regierung Monti vom Dienstag eine Staatshilfe von bis zu zwei Milliarden Euro. Mit Italien und Belgien wird in der Presse schon über zwei weitere, konkrete Kandidaten für den Gang unter den Rettungsschirm spekuliert. Das wären Nummer sechs und sieben und die Frage nach Nummer Acht taucht auf….., bei Neun wären mehr unter dem Rettungsschirm als darüber.
Kein Wunder also, dass die Überlegungen für eine weitere Europäisierung auf Hochtouren laufen. Bankenunion, Altschuldenfond, Eurobonds, Fiskalunion, die Vorschläge für Bereiche der Intensivierung der Europäisierung sind derzeit vielfältig. Zur Absicherung der Euro-Währungsunion sollen die 17 Mitgliedsländer auf Macht und Souveränitätsrechte verzichten. Der Außenminister hat hierzu Vorschläge unterbreitet, auch der Ratspräsident hat ein Grundsatzpapier für eine „echte Wirtschafts- und Währungsunion“ vorgelegt. Die Währungsunion soll auf „einen neuen Pfad“ gebracht werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom Juli 2011 unmissverständlich gesagt, dass der durch das Grundgesetz gedeckte bisherige Integrationspfad zu mehr Europa ausgeschöpft ist. Die Abgabe von weiteren Souveränitätsrechten der Bundesrepublik an die Europäische Union muss also, da es sich – wie schon jetzt beim Fiskalpakt – um eine grundlegende Veränderung in der Verfassung handelt, über Artikel 146 erfolgen. Aber über was soll eine Volksabstimmung abstimmen? Mindestens muss vorher geklärt sein, wie denn ein Vorschlag für eine neue Verfassung entsteht. Oder soll den ein Geheimgremium des Haushaltausschusses erarbeiten?
Daraus folgt zwingend, dass wir eine legitimierte Nationalversammlung, eine Konstituante nach französischem Vorbild oder einen Prozess wie in der amerikanischen Verfassungszeit des 18. Jahrhunderts brauchen. Denn nur so kann sicher gestellt werden, dass die Erarbeitung selber ein demokratischer Prozess ist, an dessen Ende ein Vorschlag überhaupt Chancen auf eine Annahme in einer Volksabstimmung hat. Zweitens macht ein solches Verfahren nur Sinn, wenn zugleich eine europäische Verfassung erarbeitet wird, diese müsste aber in allen Mitgliedsstaaten am gleichen Tag durchgeführt werden. Eine europäische Verfassung müsste vor einem nationalstaatlichen Referendum positiv entschieden sein, denn mit einer neuen Bundesverfassung würden weitgehende Souveränitätsrechte an Europa abgetreten und da muss mehr geboten werden als das derzeitige Lottospiel.
Kommentieren