Die bisherige Geschichte Europas ist eine Geschichte von Kriegen. Wir finden Berichte über einen hundertjährigen Krieg, aber keine über einen hundertjährigen Frieden. Von 1337 bis 1453 versuchten englische Könige, ihre Ansprüche auf den französischen Thron mit Waffengewalt durchzusetzen. Einhundert Jahre Krieg, dreißigjähriger Krieg, der Beispiele sind viele. Der blutige Höhepunkt dieser Entwicklung war das 20. Jahrhundert. Eric Hobsbawm nannte es das der Extreme. Und in der Tat haben erst die Erfahrungen aus zwei blutigen Weltkriegen, der Zusammenbruch europäischer Kolonialreiche und der 45-jährige Kalte Krieg den heutigen Konsens erzeugt, dass Europa ein Kontinent des Friedens sein muss.
Mit dem Mauerfall 1989, dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes endete die Phase des Kalten Krieges, sank die Gefahr der nuklearen Vernichtung. Unerwartet entstand die Chance, diesen Konsens auf eine dauerhaft friedliche Zukunft zu realisieren. Aber die Politik der EU der 15 – insbesondere der schwarz-gelben Regierung im gerade erstarkenden Deutschland – beförderte auf dem Balkan nationalistische Konflikte. Sie leistete Zuarbeit, dass auch das 20. Jahrhundert in Europa mit einem Krieg zu Ende ging. Der Angriff der NATO auf die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 erfolgte ohne UN-Mandat und war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Die Beteiligung der Bundeswehr war eine grundgesetzwidrige Entscheidung der rot-grünen Regierung. Die Folgen des Krieges sind bis heute nicht überwunden. Große Teile des Balkans innerhalb und außerhalb der EU sind heute wieder politische und ökonomische Zonen der Instabilität.
In Westeuropa wurde als Reaktion auf die Erfahrungen der beiden Weltkriege seit den 1950er Jahren auf zunehmende wirtschaftliche und politische Verflechtungen gesetzt, die Krieg zwischen den Staaten unmöglich machen sollten. Das Projekt der Europäischen Union hat durch die Versprechen von Frieden, beständiger Mehrung von Wohlstand und individuellen Freiheiten seit den 1990er Jahren auch in den osteuropäischen Ländern eine hohe Zustimmung gefunden. Aber in der aktuellen Krisenlage beginnen diese Versprechungen in vielen Mitgliedsstaaten der EU an der Realität zu scheitern.
Die Euro-Krise ist nicht ausgestanden. Der soziale Frieden bröckelt in den Krisenländern durch erzwungene Austeritätspolitik. Nationalistische Ressentiments werden belebt. Geschichtliche Differenzen treten wieder hervor. Der innere Frieden in Europa gerät in Gefahr. Der nach den beiden Weltkriegen begonnene Weg der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verflechtung war selten von europäischer Leidenschaft getragen, sondern von der schwer erkämpften Einsicht in die Vernunft als Voraussetzung von dauerhaftem Frieden. Die europäische LINKE muss diese weiterentwickeln. Der Kontinent muss friedlicher, sozialer, demokratischer und ökologischer werden, wenn das erste Jahrhundert im dritten Jahrtausend als hundertjähriger Frieden in die europäische Geschichte eingehen soll.
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