In dieser Woche haben der EU-Handelskommissar Karel de Gucht und sein US-Kollege Michael Froman eine Bilanz der Vorgespräche zum geplanten Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP) gezogen. Sie lobten die großen Chancen und bisherigen Fortschritte. Ende vergangener Woche war Frankreichs Präsident Francois Hollande bei Barack Obama zu Besuch und hat sich für eine schnelle Umsetzung des Vorhabens ausgesprochen. Aus seiner Sicht ist Geschwindigkeit essentiell, weil ansonsten die kritische Öffentlichkeit das Rennen gewinnt und sich mit dem Widerstand gegen TTIP durchsetzt.
In Frankreich wird der Verlust der französischen Kultur, besonders der Filmkultur befürchtet. In den USA befürchten Gewerkschaften einen massiven Jobverlust, sehen sich der Gefahr ausgesetzt, durch europäische Konkurrenten aufgekauft zu werden. Außerdem werden die als zu lasch bewerteten Finanzregeln kritisiert. In Europa werden hingegen die Aufweichung von Umwelt-, Gesundheits- und des Verbraucherschutzstandards befürchtet, aber auch die Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung und der Gerichtsbarkeit durch Investitionsschutzklauseln. Im Januar wurde aus letzt genanntem Grund eine dreimonatige öffentliche Anhörung zum Investor-State-Dispute-Settlement (ISDS) angekündigt.1 Die Kritik am Freihandelsabkommen soll soweit wie möglich aus dem Wahlkampf für das neue Europaparlament herausgehalten werden.
De Gucht und Froman bemühten sich vergeblich darum, die Vorwürfe der Intransparenz und der Deregulierung zu entkräften. Zwar verwiesen sie auf die seit kurzem eingerichtete TTIP-Beratergruppe2, die bekommt jedoch selbst keinen Zugang zu den Texten, auf welcher Grundlage könnte sie also beraten? Eine reale Schwierigkeit wird in der Frage der regulatorischen Zusammenarbeit gesehen. In den USA muss die Schädlichkeit eines Produkts durch den Regulierenden nachgewiesen werden, und zwar wissenschaftlich. In Europa hingegen muss der Anbietende die Unbedenklichkeit nachweisen. Das Vorsorgeprinzip hat hier Vorrang. Ignacio Garcia Bercero, der EU-Chefunterhändler hat Anfang Februar im Wirtschaftsausschuss des Bundestages bekräftigt, dass auf Seiten der EU keine Standards abgesenkt würden.3 Wir werden sehen, was davon zu halten ist.
Der EU-Handelskommissar und der Handelsbeauftragte der USA haben ihre Bestandsaufnahme mit dem Aufruf beendet, die Verhandlungen, wie auch von Obama und Hollande gefordert, nun zügig fortzusetzen. Vom 10. bis zum 14. März ist die vierte Verhandlungswoche angesetzt, hier sollen erste konkrete Vertragstexte formuliert werden. Am 26. März kommt Barack Obama in Sachen TTIP nach Brüssel zu einem Werbebesuch. Für den Sommer haben sich De Gucht und Froman zu einem weiteren Bilanztreffen verabredet. DIE LINKE fordert ein sofortiges Ende der Geheimverhandlungen. Wir wollen keine auf die dienstliche Verwendung beschränkte Information der Parlamente. Wir fordern eine vollständige Information für die kritische Öffentlichkeit. Nur so kann sie sich eine vollständig und unabhängige Meinung bilden.
Quellen:
1 http://derstandard.at/1389857660860/Freihandel-EU-setzt-Verhandlungen-mit-USA-teilweise-aus
2 https://www.lobbypedia.de/wiki/TTIP_Advisory_Group
3 http://www.bundestag.de/presse/hib/2014_02/2014_060/01.html
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