Für Sonntag, den 16. März, ist eine Abstimmung auf der Krim über den zukünftigen Status der Halbinsel angekündigt. Schlagartig rückt die konfliktbeladene Geschichte der Krim wieder in das öffentliche Bewusstsein. Durch ihre exponierte Lage im Schwarzen Meer ist sie durch die Jahrhunderte ein geostrategisch bedeutsamer Faktor. Die heute als Krim-Krieg bezeichnete Auseinandersetzung von 1853 – 1856 begann z. B. als 10. Russisch-Osmanischer Krieg um die territoriale Zugehörigkeit. Seitdem war die Krim russisch bis Chruschtschow sie 1954 per Verwaltungsakt der Ukraine als Mitgliedsland der Sowjetunion zuordnete. Seit deren Zerfall ist die Krim, als Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte und Russlands Zugang zum Mittelmeer, wieder Konfliktgebiet.

Vordergründig sieht es so aus, als wenn innere Zerfallsprozesse in der Ukraine die wichtigste Rolle bei der Zuspitzung der Situation spielen, aber sie sind nur die Auslöser des seit über zwanzig Jahren schwelenden Konfliktes um den bestimmenden Einfluss. Die für Sonntag angesetzte Abstimmung lautet offiziell: »Russland oder Ukraine?«, aber sie führt Russland und »den Westen« an den Rand eines erneuten Krieges. Diese Kriegsgefahr verdeutlicht, die Ukraine ist derzeit kaum mehr Subjekt in einer Auseinandersetzung, sondern Spielball von Großmachtpolitik. Denn geopolitisch betrachtet lautet die Krim-Frage nicht »Russland oder Ukraine?«, sondern: »Werden Krim und Ukraine Bestandteil der Europäischen oder der Eurasischen Union?«

In der ersten Zeit nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde zwischen EU und Russland im Bezug auf die Ukraine eine »sowohl als auch« Perspektive eingenommen. Seit 1998 ist zwischen der EU und der Ukraine ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen in Kraft, das bereits 2008 durch ein Assoziierungsabkommen abgelöst werden sollte. Mit der Ankündigung von 2012, dass die Gründung eines Einheitlichen Wirtschaftsraumes von Belarus, Kasachstan und Russland im Januar 2015 abgeschlossen sein soll, kommt es zu einer Veränderung im Status Quo. Es ist der Auftakt zu einer Eurasischen Union, die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG) wird nach Vorbild der Europäischen Wirtschafts-gemeinschaft (EWG) konzipiert. Im Mai 2013 haben Kirgistan und die Ukraine eine Absichtsvereinbarung für ein Zusammenwirken mit der Zollunion und der Eurasischen Wirtschaftskommission unterzeichnet. Im November wurde das angestrebte Assoziierungs-abkommen mit der EU durch die Ukraine ausgesetzt. Seitdem ist der »Sowohl als auch« Modus in einen »Entweder-Oder« Konflikt verwandelt, der über die Präsidentschaftsfrage auf dem Maidan in Kiew ausgetragen wurde.

Die Opposition hat Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt, eine neue Regierung wurde eingesetzt. Die »Friedensnobelpreismacht« EU hat sie blitzschnell anerkannt, einen Zollverzicht für die Ukraine in Höhe von einer halben Milliarde Euro beschlossen und 11 Mrd. Euro als Unterstützung in Aussicht gestellt. Denn die Ukraine ist pleite. Die Bundeskanzlerin hat die neue Regierung der Ukraine aufgefordert, das ausgesetzte Assoziierungsabkommen baldmöglichst zu unterzeichnen. Das »Entweder-Oder« Kräfteringen um die Zugehörigkeit der Ukraine wird laut Außenminister in die nächste »Entscheidungsstufe« gehoben. Moskau, auf der anderen Seite, erkennt die neue Regierung nicht an, Janukowitsch ist für Putin legitimer Präsident ohne Zukunft. Aus russischer Sicht ist nach dem politischen Wechsel die Geschäftsgrundlage nicht mehr gegeben, auf der Chruschtschow 1954 die Krim dem Bruderland eingegliedert hat und will sie in ihren unmittelbaren Einflussbereich zurückholen. Das Parlament der Krim hat nach dem Vorbild des Kosovo die Unabhängigkeit beschlossen, der Internationale Strafgerichtshof hatte 2010 dieses Vorgehen für rechtens erklärt.

Die Bundeskanzlerin nennt dies eine »Annexion«, die sie nicht durchgehen lassen will und sieht Moskau in der Pflicht, alle Schritte zur Deeskalation zu unternehmen. Der Außenminister sagt im Baltikum, man werde sich der Konfrontation »entschlossen und geschlossen entgegenstellen« und Sanktionen gegen Russland beschließen. Historiker und Politikwissenschaftler sehen die Gefahr einer Spaltung der Ukraine. Doch die neue ukrainische Regierung scheint die Krim bereits aufgegeben zu haben und sichert die Grenze der Ost-Ukraine. Dort findet sie die Unterstützungslinie der NATO. Der Konflikt wird in die nächste Stufe eskalieren, wenn Russland seine Truppen über diese Grenze schickt. Für diesen Fall wäre die Rückkehr des Kalten Kriegs beschlossen, eine neue Blockbildung die Folge. Die Grenze zwischen Eurasischer und Europäischer Union verliefe nicht durch Deutschland, sondern durch die Ukraine. Kiew wäre das neue Berlin. DIE LINKE sagt Nein zu dieser Konfrontation und fordert eine Umwandlung der NATO in ein Verteidigungsbündnis mit Einbindung von Russland. Wir fordern eine politische Lösung, in der die Ukraine selbstbestimmtes politisches Subjekt ist und nicht wie in einer Rückkehr ins 19. Jahrhundert zwischen den Großmächten Europäische und Eurasische Union zerrieben und aufgeteilt wird.