In Polen wurde am 25. Oktober ein neues Parlament gewählt, die rechtsnationale Partei Recht und Gerechtigkeit PiS ging mit einer absoluten Mehrheit aus dem Wahlgang hervor. Der Wahlkampf stand unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine und den Fluchtbewegungen aus dem Nahen Osten, Afghanistan und Nordafrika. Zusätzlich zu dem Sicherheitsthema und dem Zuwanderungsthema hat sie für die Wählenden die Frage der sozialen Gerechtigkeit besetzt, zum Beispiel die Abschaffung der Rente mit 67, die die liberale PO-Regierung unter Donald Tusk eingeführt hatte. Seine Beförderung zum EU-Ratspräsidenten konnte die PO personell und politisch nicht kompensieren. Als der starke Mann hinter dem Staatspräsidenten Andrzej Duda (PiS) und der Ministerpräsidentin Beata Szydlo (PiS) gilt Parteimitgründer Jaroslaw Kaczynski, der nun seinen Traum von einer vierten Republik umzusetzen versucht, den er mit seinem 2005 verstorbenen Bruder vorgestellt hat. Die vierte Republik ist in deren Vorstellung ein schützender und vormundschaftlicher Nationalstaat, an dessen Spitze ein mit autoritären Vollmachten ausgerüsteter Präsident steht.

Am 1. November wurde das zweite Mal in diesem Jahr in der Türkei die große Nationalversammlung neu gewählt. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit in der Wahl am 7. Juni hatte Staatspräsident Erdogan alles daran gesetzt, um in Neuwahlen dieses Ergebnis wettzumachen. Das ist durch eine Mischung aus Verunsicherung, Terror, Pressezensur und Diffamierung des politischen Mitbewerbers gelungen. Die Wiederaufnahme des gewalttätigen Kampfes durch die PKK hat den Zuspruch zur HDP sinken lassen. Der Höhepunkt der politischen Zuspitzung war der Selbstmordanschlag Ende Oktober, bei dem über 100 Menschen ums Leben kamen. Im Ergebnis hat Erdogans Partei AKP nun wieder eine absolute Mehrheit, wenn auch keine Zwei-Drittel-Mehrheit, die er für den gewünschten Umbau der Verfassung hin zu einer starken Präsidialrepublik braucht. Mit diesem Ergebnis im Rücken verstärkt er noch einmal die Repression gegen die verbliebene freie Presse.

Das verbindende politische Element beider Wahlen ist das Vorhaben der Errichtung von autoritären Systemen. Dabei orientiert sich Kaczynski nach eigenem Bekunden an seinem Vorbild Orban. Erdogan hingegen an dem größeren Vorbild Putin. Für DIE LINKE können beide keine Vorbildfunktion haben. Denn sie stehen nicht für eine Ausweitung der Demokratie, sondern für deren massive Beschränkung durch Repression. In Polen und der Türkei sind die autoritären Kräfte weiter auf dem Vormarsch. Sie speisen ihren Zulauf aus der größer werdenden Unsicherheit in einer sich rapide wandelnden Welt.