Viele Konkurrenten hat Angela Merkel auf ihrem Weg von »Kohls Mädchen« zur CDU- Vorsitzenden und Bundeskanzlerin hinter sich gelassen, nicht zuletzt Wolfgang Schäuble, den damaligen Parteivorsitzenden, Schwarzgeld-Kassierer und heutigen Finanzminister. Als Dienstältester und erfahrenster Minister im Kabinett ist er heute eine der wesentlichen Stützen der Regierung. Auch Volker Kauder, seit 2005 Fraktionsvorsitzender war einst ein politischer Gegner, heute ist er ihr treuester Helfer in der Fraktion. Mit Peter Altmeier hat sie dem Innenminister einen loyalen Flüchtlingskoordinator zur Seite gestellt. Auch Ursula von der Leyen, manchmal als potenzielle Nachfolgerin gehandelt, stellt sich seit den Plagiatsvorwürfen in der Tradition von Guttenberg und Annette Schavan hinter die Politik der Kanzlerin.

Die Pizza- und die Anden-Connection sind heute nicht einmal mehr eine Erzählung wert, alle sind nicht über das Pausbäckige und die politische Pubertät hinausgekommen. Die ehemaligen Ministerpräsidenten von Hessen, Niedersachsen, Thüringen, Saarland, Niedersachsen, Baden-Württemberg (Roland Koch, Christian Wulff, Dieter Althaus, Peter Müller, David Mc Allister Günther Oettinger) sind heute alles vergessene Hoffnungsträger einer jungen Generation. Nur Friedrich März, der 2002 von ihr vom Fraktionsvorsitz verdrängt wurde und Möchte-Gern- Rebell im selbsterklärten Wartestand, hofft immer noch auf die Rückkehr des guten alten Konservatismus in Deutschland. Herr Wichmann und Philipp Lengsfeld sind durch unterhaltsame Dokumentarfilme bekannt und leben von Merkels guten Wahlergebnissen.

Andererseits hat die CDU seit 2010 in sechs Bundesländern die Regierung verloren. Nordrhein Westfalen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gingen an Rot-Grün. Baden-Württemberg ist das erste Land mit Grün-Rot. In Thüringen hat DIE LINKE die CDU aus dem Sattel gehoben und stellt den Ministerpräsidenten. In nur vier von sechzehn Ländern stellt sie noch den Regierungschef: im Saarland, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt und Hessen. In den Großstädten über 100.000 Einwohnenden ist der Befund kaum anders. Seit 2009 wurde in 28 deutschen Großstädten Bürgermeister gewählt, in keiner hat die CDU gewonnen, wenn man einmal von Köln absieht. Selbst in Dresden, der konservativ-christlichen Hauptstadt von Sachsen, wo PEGIDA die Abspaltung von der Republik fordert, hat die CDU bei der Oberbürgermeisterwahl nur 15,4% und den dritten Platz bekommen. Die Union erodiert von der Basis her.

Pünktlich zu ihrem zehnjährigen Jubiläum als Kanzlerin (seit Oktober 2005) und dem fünfzehnjährigem Jubiläum als Parteivorsitzende (seit April 2000), die sie im Zuge der Spendenaffäre der Union wurde, regt sich wieder einmal heftiger Widerstand. Er macht sich an ihrer Entscheidung in der Flüchtlingspolitik fest, die das konservative Lager so hoch aufbringt, wie es die Abschaffung der Wehrpflicht, die Energiewende vom Atomstrom zu Erneuerbaren Energien und die drei Rettungspakete für Griechenland nicht konnten. „Die Union wird doch auch einmal diskutieren dürfen“, kommentierte Volker Kauder die Nachfragen von Journalisten nach den letzten Fraktionssitzungen der Unionsparteien, in denen sich die Abgeordneten mit hochroten Köpfen angebrüllt haben, wenn man Berichten interner Quellen Glauben schenkt.

Der in der Kritik stehende Thomas de Maiziere hat sich wiederholt gegen Merkels Politik in die Brust geworfen, auch er wurde wie von der Leyen eine Zeitlang von der Presse als möglicher Merkel-Nachfolger hofiert. Der unbekannte ehemalige Junge-Union Mann und MdB von Stetten (Wahlkreis: Stuttgart) hatte im Oktober einen Antrag für die Schließung von Grenzen geschrieben, der aber nach einem Gespräch mit Kauder (Wahlkreis: Rottweil-Tuttlingen) in der Schublade stecken geblieben ist. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (Wahlkreis: Dessau-Roßlau-Wittenberg) stieß mit seinem Vorschlag nach länderspezifischen Obergrenzen in das gleiche Horn. Gute zwei Wochen vor dem kommenden CDU-Parteitag am 14./15. Dezember hat auch die Junge Union mit dem jetzigen Vorsitzenden Paul Ziemiak erneut Mut gefasst und will einen Antrag einbringen, mit dem sie die Festlegung von Obergrenzen bei Flüchtlingseinreisen fordert. Der frühere Gesundheitspolitiker Jens Spahn (Wahlkreis: Borken1-Steinfurt1), hat ein Buch veröffentlicht, das als ein Affront und eine Kampfansage gegen die Kanzlerin gewertet wird. Er wurde im Juni Staatssekretär von Wolfgang Schäuble (Wahlkreis: Offenburg). Schäuble hat sich nicht von Spahn distanziert. Der politische Widerstand gegen Merkel kommt also neben der bayrischen CSU aus Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg, wo im März Landtagswahlen anstehen. Aber schon das weitverbreitete Naserümpfen über die bayrischen Dumpfbacken Seehofer und Söder zeigt, fürchten muss das die Kanzlerin kaum.

Und so hat die Springer-Presse (Bild und Welt) Wolfgang Schäuble bereits im Oktober offen zum Kanzlerinnen-Sturz aufgefordert. Erfolglos. Der Konservatismus ist nicht für seine revolutionäre Haltung bekannt. Es war nur eine logische Folge, dass ein illustrer Haufen gegen die Parteivorsitzende zur Attacke blies, um ihre Stellung zu überprüfen und die innerparteiliche Kritik zu kanalisieren. Nach zwei intensiven Monaten, in denen ihre Stellung nicht unangefochten war, hat sie seit der heutigen Regierungserklärung die Zügel wieder fest in der Hand. Bislang hat sie – anders als z.B. Gerhard Schröder (SPD) – nie politischen Inhalt und Stellung der Person miteinander verbunden und das wird sie auch dieses Mal nicht brauchen. Denn es ist erstens kein Wahlparteitag, sie wurde im Dezember 2014 in Köln mit 96% wiedergewählt. Zweitens ist im Unionslager weit und breit niemand in Sicht, der ihr erfolgreich das Wasser abgraben könnte.